Die HGB Leipzig trauert um Prof. Gert Wunderlich.
Gert Wunderlich, 1933 in Leipzig geboren, war Typograf, Buch- und Schriftgestalter, Plakatentwerfer. Er gilt als einer der vielseitigsten, innovativsten und erfolgreichsten Grafik-Designer des deutschsprachigen Raumes. Er war gelernter Schriftsetzer und studierte von 1953 bis 1958 an der HGB bei Irmgard Horlbeck-Kappler, Wolfgang Mattheuer und Elisabeth Altmann im Grundstudium sowie bei Albert Kapr, Oskar Zech und Otto Erler im Fachstudium. Danach arbeitete er zwei Jahre als Buchgestalter in der Druckerei Fortschritt Erfurt. Er war Mitglied im Verband bildender Künstler und wurde als Sekretär der Internationalen Buchkunst-Ausstellung (IBA) Leipzig 1965 berufen. Das von ihm entworfene IBA-Plakat mit dem einprägsamen Zeichen machte ihn international bekannt.
Ab 1966 war Gert Wunderlich Aspirant an der HGB, 1967 Assistent und ab 1971 Dozent. Die Professur mit künstlerischer Lehrtätigkeit erhielt er 1979 und leitete fortan bis 1994 die Abteilung Buchgestaltung / Gebrauchsgrafik. Bis 1999 war er zudem Leiter der Fachklasse für Typografie / Buchgestaltung / Plakat an der HGB. 1982 wurde er Vorsitzender des ICOGRADA-Komittes der DDR. 1988 lehrte Gert Wunderlich als Gastdozent an der Academy of Art & Design Beijing/Volksrepublik China. Nach der Emeritierung übernahm er erneut eine Gastdozentur in China.
Gert Wunderlich war als Juror und Experte für die „Schönsten Bücher der DDR“, „Schönsten Bücher aus aller Welt“, der IBA, der Plakat-Biennalen in Warszawa, der Biennalen des Graphic-Design Brno, beim Plakatwettbewerb „Auschwitz warnt“, zur Biennale des Plakates in Lahti oder dem Wettbewerb um die „Besten Plakate des Jahres“ gefragt. Dem Kuratorium zur Verleihung des Gutenberg-Preises der Städte Leipzig und Mainz gehörte er von 1992 bis 2011 an.
Gert Wunderlich gehört zu jenen Typografen, die eine klassische Ausbildung an der HGB Leipzig nach dem II. Weltkrieg erhielten. Bereits in den fünfziger Jahren sind Einflüsse des Expressionismus und des Bauhauses zu erkennen, die zu einer zeitgemäßen Auffassung führten, ohne vertraute Traditionen zu verlassen oder gänzlich mit ihnen zu brechen. Er ist Vertreter der „Leipziger Schule“ auf dem Gebiet der Typografie, deren Auffassung darin bestand, neben Bewährtem Neues zu begründen. Sein Credo lautete: Die typografische Form sollte dem Inhalt adäquat sein, jedoch sind Formen zu wählen, die Texte nachhaltig erlebbar machen, ohne die Lesbarkeit zu vernachlässigen. Der Leser als Adressat hat ein elementares Recht auf ein typografisches Ordnungsprinzip, das ihm ein Erfassen von Texten erleichtert.
Seit 1957 entstanden Akzidenzschriftentwürfe, so z. B. die „Antiqua 58“ und die „Egeria-Grotesk“, die als Vorstufe für die „Maxima„ gilt. Die „Maxima“ war als große Schriftfamilie unter den Kriterien Lesbarkeit, Formschönheit und Ausdruckskraft konzipiert. Zum Sortiment gehören auch kyrillische und griechische Schriftzeichen mit entsprechenden Sonderzeichen und Akzenten für mehr als 20 Sprachen. Sie war in den 1980er Jahren eine der meist genutzten Groteskschriften in der DDR - für alle Buchgenre, Telefonbücher, u.a. auch im Nahverkehr in Berlin. Inzwischen ist ein Redesign unter dem Namen „Maxima Now“ in 25 lateinischen Schnitten verfügbar, mit Sonderzeichen und Akzenten für 79 Sprachräume einsetzbar.
Der international bekannte und geachtete Typograf, Schrift-, Buch- und Plakatgestalter Prof. Gert Wunderlich verstarb am 15. August 2023 in Leipzig.
Text: Stiftung Plakat OST