Offener Studienraum
im Rahmen des rassismuskritischen Festivals „Gefahrenzonen - Rassismus ver(un)sichert“
03.11.23–20.01.24
Was können wir von diesem Raum erwarten? Auf welche Art können wir hoffen, hier über Rassismen nachzudenken, nachzuspüren und ins Gespräch zu kommen? Vielleicht suchend, fragmentarisch, uns Auslassungen (manchmal schmerzlich) bewusst machend, Begehren weckend und Begehren folgend, mit Hilfe und Unterstützung, irritierend und durchkreuzend, fehlerhaft und fehlerfreundlich, anhand von Beispielen und (hoffentlich nicht allzu oft) grob verallgemeinernd, abwehrend, annehmend und immer wieder kritisch.
Der offene Studienraum der HGB Galerie ist weniger ein Ort des Schauens oder der (schnellen) visuellen Adressierung. Er ist ein Ort, der Zeit akkumuliert und dazu einlädt in ihm Zeit zu verbringen. Als inhaltlich-räumliche Erweiterung des rassismuskritischen Festivals Gefahrenzonen – Rassismus ver(un)sichert konzipiert, stellt er den Versuch dar, einen Recherche- und Lernort zu schaffen, der ausgehend von kritischer Wissensproduktion nach dem Verhältnis zwischen Macht- und Herrschaftsverhältnissen und der darin eigenen Situierung fragt.
Bewegliche Module aus Tischen, Stühlen und Bücherregalen konstituieren den Raum, in dem sich typologisch – im Wechsel zwischen harten und weichen Materialien – Ausstellungs-, Bibliotheks-, und Studienraum überlagern. Das Lektüreangebot umfasst „Klassiker“ der Rassimustheorie, der postkolonialen Theorie, queerfeministische, rassismus- und antisemitismuskritische Texte, Lyrik und Romane. Lose damit verbunden sind die von Nelly Nakahara und Gerrit Brocks gestalteten Arbeitstische mit Debattenmaterial aus zeitgeschichtlichen Knotenpunkten (1993, 2000, 2016), in denen die bestehende migrationsgesellschaftliche Ordnung herausgefordert wurde und rassistische Artikulationen zunahmen. Die Materialien verweisen auf den jahrzehntelangen und vielstimmigen Einsatz gegen Rassismen und laden ein sich zu verbinden. Zwei zusätzliche Tische zeigen Foto-, Archiv- und Recherchearbeiten von Schohreh Golian. Mit einer disziplinübergreifenden Herangehensweise des antirassistischen Sammelns und Anordnens kommt Golian ihrem Untersuchungsgegenstand näher: Kriminalisierte Orte in Hamburg und Berlin. Dabei schaut sie sowohl auf die Banalität als auch die Macht dieser Orte und stellt Fragen nach Gefährlichkeit, Ordnungsnormen und sozialer Kontrolle. Eine 2-Kanal-Videoinstallation von Berfîn Karakurt und Hasan Gündogan mit dem Titel gAze (5.36 min) setzt sich mit der Rassifizierung von Gewalt, der Kriminalisierung von BPoC auseinander. Eine abstrakte, 3D-animierte Figur und eine Collage aus Archivmaterial verdeutlichen, wie gewaltvoll Zuschreibungspraxen auf Schwarze Menschen, People of Color und ihre Lebenswelten einwirken.
Der offene Studienraum ist nicht auf die individuelle Buchlektüre beschränkt und lädt dazu ein, sich in kleineren oder größeren Gruppen zu treffen, Texte gemeinsam zu lesen, die Beiträge des Festivals nachzuhören, darin aufgeworfene Fragen zu diskutieren. Er ist für alle Vorschläge zu macht- und rassismuskritischen Veranstaltungen offen. Zugleich ist er seinem Charakter nach ein für alle offener Rückzugsort, in dem gestöbert, gearbeitet, verweilt oder bei Gratis-Kaffee pausiert werden kann.
Im Dezember sind folgende Veranstaltungen geplant:
12.12.2023: Streik-Revue 73/93/23 mit Nuria Cafaro u.a. (Veranstalter*in: Rosa-Luxemburg-Stiftung)
2023, in einem Jahr massiver Arbeitskämpfe, jähren sich einige der bedeutendsten Streiks der deutschen Nachkriegsgeschichte. Unter dem Titel 73/93/23 bringen wir die wilden Streiks migrantischer Arbeiter*innen von 1973 bei Ford, Pierburg und anderswo, die unerhörten Kampfformen ostdeutscher Arbeiter*innen von 1993 in Bischofferode und weiteren Betrieben, und aktuelle Kämpfe auf eine Bühne - und fragen nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
14.12.2023: Ein Praxisraum zum „Theater der Unterdrückten“ mit Diana de Fex (Theatermacherin, Choreografin und Pädagogin). Mehr Infos folgen. (Veranstalter*in: BUND Jugend/ ConnACTion Leipzig)
Ausführliche Informationen zu diesen und weiteren Veranstaltungen finden Sie in Kürze unter:
www.hgb-leipzig.de/galerie
gefahrenzonen.binational-leipzig.de
Auf Anfrage: Studienraumspezifische Gespräche und Diskussionen mit Anna Sabel und Mehmet Arbag. (Bitte richten Sie ihre Anfrage an: galerie@hgb-leipzig.de)
Das Projekt Gefahrenzonen – Rassismus ver(un)sichert wurde vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. konzipiert und mit der HGB Galerie realisiert.
Gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ (WOS)
Mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts
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