Score, Sketch, Script? The Infinite Art Conversation (12.12.2024–30.01.2025)
Wer oder was spricht, wenn mit/durch/über Kunst gesprochen wird? Welche Sprachen spricht Kunst mit und abseits akademischer Konventionen? Ist dieses Sprechen nur eine Übersetzungsübung, die einem rätselhaften Skript folgt, hier und da ins Stottern, Murmeln, Pausieren oder Schweigen gerät? Von wo aus wird gesprochen und was genau stellt ein solches Gespräch her? Etwas, das flüchtig und fließend, radikal unökonomisch oder subjektiv ist; etwas, das sich im Schweigen, beim gemeinsamen Essen oder im Schlaf fortsetzt und selbst wieder Kunst werden könnte?
Das Ausstellungsprojekt „Score, Sketch, Script? The Infinite Art Conversation“ in der HGB Galerie thematisiert den diskursiven und präskriptiv fixierten Rahmen dialogischen Sprechens, der dem „Sprechen mit/über/durch Kunst“ wie selbstverständlich zugrunde liegt. Es wird danach gefragt, ob und inwiefern nicht nur die Rezeption, sondern auch die Produktion von Kunst auf eine dialogische Struktur bezogen werden kann und wie sich diese als künstlerisches Verfahren konkretisiert. Dazu werden u.a. Incompleteness (Moten/Harney), Übersetzbarkeit (Lynne Tillman), Relationalität und das Prinzip der Resonanz (Carla Lonzi) als Modi des Dialogs und mögliche Formen der Analyse herangezogen, die allesamt auf eine Poetik der Unterbrechung rekurrieren: Ohne Unterbrechung kein Dialog, insofern nicht „gleichzeitig“, sondern nur „nacheinander“ gesprochen wird. In diesem diachronen Prinzip zeigt sich zugleich das Paradoxe und Rätselhafte des Gesprächs als ein sich ständig „unterbrechendes Sprechen“ (Maurice Blanchot), das zu keinem Ende oder letztgültigen Sinn kommt. Was bedeutet das für Gespräche mit/durch/über Kunst? Ist es hier die Kunst selbst, in der das Gespräch an einen vorläufigen Endpunkt gelangt, um von dort aus wieder aufgenommen zu werden? An dieser Stelle setzt das Projekt „Score, Sketch, Script? The Infinite Art Conversation“ ein: Es fragt nach dem ephemeren Charakter des Kunstgesprächs einerseits und seinem “Nachleben” andererseits, also danach, wie und was es hervorbringt – insbesondere mit Bezug auf Kunstausbildung (1), Kunstproduktion (2) und Kunstkritik (3).
(1) Einen möglichen Einstieg bietet Fred Motens und Stefano Harneys Konzept/Idee der „Partial Education“, die einen prozessualen Denk- und Lernraum voraussetzt, der „zwischen uns“ stattfindet und auf eine „perversion of instructions“ oder das Verlernen eingeübter Regelhaftigkeit hinarbeitet. Ein historisches Beispiel für eine solche Praxis sind die in der künstlerischen Lehre viral gegangenen „Teaching Notes“ des Künstlers Paul Thek, die sowohl als Verweigerung als auch als Ausgangspunkt für einen unvollständigen, weil dialogisch angelegten und fortsetzbaren Lehr- und Lernprozesses gelesen werden können. Theks fünfzig oder mehr Fragen und Instruktionen bilden zudem eine Art Skript für eine dialogische Auseinandersetzung mit der eigenen Kunstpraxis und deren Situiertheit – ein Skript, das potentiell selbst als künstlerische Arbeit gelten könnte.
(2) Diesen Umschlagpunkt nimmt das Projekt „Score, Sketch, Script? The Infinite Art Conversation“ in den Blick, indem es weniger danach fragt, wie die zum Genre avancierten Formate Artist Talks, Artist Lectures oder Artist Writings „(un)willkommene Kontexte“ um künstlerisches Arbeiten herum konstruieren, die zugleich mit Logiken der Wertsteigerung verbunden sind, sondern vor allem danach, wie dieses „Sprechen mit/über/durch“ als genuin künstlerisches Verfahren eingesetzt wird. Welche Position nimmt ein:e Künstler:in ein, wenn sie die Bedingungen der eigenen künstlerischen Arbeit reflektiert? Liegt dem ein (imaginiertes) dialogisches Verhältnis zum „Gegenstand“ zugrunde? Und ab wann ist das Sprechen über/mit/durch selbst Gegenstand der künstlerischen Produktion? Welche Rolle kommt dem Körper zu oder dem Verhältnis von Sehen/Zeigen und Sprechen? Ist dieses Sprechen mit haptischem Sehen verbunden oder mit der Dimension des Berührens und der nonverbalen Kommunikation? Fragen wie diese werden in der Ausstellung durch Gespräche „mit“ den künstlerischen Arbeiten thematisiert, insbesondere vor dem Hintergrund medialer Übersetzungsprozesse.
(3) Verhandelt wird aber auch das retrospektive „Sprechen über“ im Hinblick auf die methodischen Schnittmengen von künstlerischen Praxen und Kunstkritik (u.a. polyphone Collagen, imaginierte Gespräche, Multiplizierung der Sprecher:innenposition). Hier ist das Projektan performativen, vielstimmigen bzw. situierten Formen des Sprechens/Schreibens orientiert, die quer zu den in der Kunstkritik angelegten Objektivierungstendenzen stehen. In diesem Zusammenhang interessieren die feministische Kunstkritik, aber auch dialogische Formen spekulativen Erzählens, die für die Frage sensibilisieren, wer von wo aus wie spricht.
In „Score, Sketch, Script? The Infinite Art Conversation“ werden die genannten Themen zu einer offenen Ausstellungsform verbunden, in der das Unfertige Programm ist: Sie schreibt sich fort durch öffentliche Screenings und Talks, eine Gesprächsreihe, Seminare und Workshops. Dabei soll der vertikal strukturierte „Exhibitionary Complex“ (Tony Bennett) in Bezug auf den horizontal strukturierten „Conversational Complex“ (Elke Krasny) problematisiert und transformiert werden. In der Konzeption dieses Projekts fragen wir auch danach, wie diese aus dem feministisch verstandenen Salon-Modell entwickelte Form des Ausstellens anders gedacht werden muss: Einerseits sind mit ihm privilegierte Gesprächsräume gemeint, andererseits haben sich seine Konditionen mit den Infrastrukturen neuer Technologien verändert.
Was ist Dialogizität anderes als die ständige Aushandlung ihrer Bedingungen, ihres Rahmens? Und zu welchem Zweck? Um die Rahmenbedingungen des Gesprächs zu ändern, ihre Verschieb- oder Dehnbarkeit zu testen? Sind es Machteffekte, die aufgedeckt oder sogar anders umgesetzt werden können, wenn die eingespielten Trennlinien zwischen Kunst und Kunstgespräch, Kunst und Diskurs wie auch ihre teils fragwürdige gegenseitige Unterstützungs- und Repräsentationsfunktion in Zweifel gezogen werden? „It’s almost like it is your responsibility to engage in responder-ship – not because you know about it, but because you can.“ (Amy Sillman)
Talks:
09. Januar, 17:30
Tanja Widmann, Bildende Künstlerin und Professorin für Kunstpädagogik an der Akademie der Bildende Künste München
16. Januar, 17:30
Amanda Carneiro, Historikerin, Kuratorin und Publizistin
23. Januar, 15:30
Sabeth Buchmann, Kunsthistorikerin und -Kritikerin, Professorin für Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden Künste Wien
30. Januar, 17:30
Eleanor Ivory Weber, Bildende Künstlerin, und Dozentin für Kunsttheorie und Kritische Praxis an der École de recherche graphique Brüssel
(1) Einen möglichen Einstieg bietet Fred Motens und Stefano Harneys Konzept/Idee der „Partial Education“, die einen prozessualen Denk- und Lernraum voraussetzt, der „zwischen uns“ stattfindet und auf eine „perversion of instructions“ oder das Verlernen eingeübter Regelhaftigkeit hinarbeitet. Ein historisches Beispiel für eine solche Praxis sind die in der künstlerischen Lehre viral gegangenen „Teaching Notes“ des Künstlers Paul Thek, die sowohl als Verweigerung als auch als Ausgangspunkt für einen unvollständigen, weil dialogisch angelegten und fortsetzbaren Lehr- und Lernprozesses gelesen werden können. Theks fünfzig oder mehr Fragen und Instruktionen bilden zudem eine Art Skript für eine dialogische Auseinandersetzung mit der eigenen Kunstpraxis und deren Situiertheit – ein Skript, das potentiell selbst als künstlerische Arbeit gelten könnte.
(2) Diesen Umschlagpunkt nimmt das Projekt „Score, Sketch, Script? The Infinite Art Conversation“ in den Blick, indem es weniger danach fragt, wie die zum Genre avancierten Formate Artist Talks, Artist Lectures oder Artist Writings „(un)willkommene Kontexte“ um künstlerisches Arbeiten herum konstruieren, die zugleich mit Logiken der Wertsteigerung verbunden sind, sondern vor allem danach, wie dieses „Sprechen mit/über/durch“ als genuin künstlerisches Verfahren eingesetzt wird. Welche Position nimmt ein:e Künstler:in ein, wenn sie die Bedingungen der eigenen künstlerischen Arbeit reflektiert? Liegt dem ein (imaginiertes) dialogisches Verhältnis zum „Gegenstand“ zugrunde? Und ab wann ist das Sprechen über/mit/durch selbst Gegenstand der künstlerischen Produktion? Welche Rolle kommt dem Körper zu oder dem Verhältnis von Sehen/Zeigen und Sprechen? Ist dieses Sprechen mit haptischem Sehen verbunden oder mit der Dimension des Berührens und der nonverbalen Kommunikation? Fragen wie diese werden in der Ausstellung durch Gespräche „mit“ den künstlerischen Arbeiten thematisiert, insbesondere vor dem Hintergrund medialer Übersetzungsprozesse.
(3) Verhandelt wird aber auch das retrospektive „Sprechen über“ im Hinblick auf die methodischen Schnittmengen von künstlerischen Praxen und Kunstkritik (u.a. polyphone Collagen, imaginierte Gespräche, Multiplizierung der Sprecher:innenposition). Hier ist das Projektan performativen, vielstimmigen bzw. situierten Formen des Sprechens/Schreibens orientiert, die quer zu den in der Kunstkritik angelegten Objektivierungstendenzen stehen. In diesem Zusammenhang interessieren die feministische Kunstkritik, aber auch dialogische Formen spekulativen Erzählens, die für die Frage sensibilisieren, wer von wo aus wie spricht.
In „Score, Sketch, Script? The Infinite Art Conversation“ werden die genannten Themen zu einer offenen Ausstellungsform verbunden, in der das Unfertige Programm ist: Sie schreibt sich fort durch öffentliche Screenings und Talks, eine Gesprächsreihe, Seminare und Workshops. Dabei soll der vertikal strukturierte „Exhibitionary Complex“ (Tony Bennett) in Bezug auf den horizontal strukturierten „Conversational Complex“ (Elke Krasny) problematisiert und transformiert werden. In der Konzeption dieses Projekts fragen wir auch danach, wie diese aus dem feministisch verstandenen Salon-Modell entwickelte Form des Ausstellens anders gedacht werden muss: Einerseits sind mit ihm privilegierte Gesprächsräume gemeint, andererseits haben sich seine Konditionen mit den Infrastrukturen neuer Technologien verändert.
Was ist Dialogizität anderes als die ständige Aushandlung ihrer Bedingungen, ihres Rahmens? Und zu welchem Zweck? Um die Rahmenbedingungen des Gesprächs zu ändern, ihre Verschieb- oder Dehnbarkeit zu testen? Sind es Machteffekte, die aufgedeckt oder sogar anders umgesetzt werden können, wenn die eingespielten Trennlinien zwischen Kunst und Kunstgespräch, Kunst und Diskurs wie auch ihre teils fragwürdige gegenseitige Unterstützungs- und Repräsentationsfunktion in Zweifel gezogen werden? „It’s almost like it is your responsibility to engage in responder-ship – not because you know about it, but because you can.“ (Amy Sillman)
Talks:
09. Januar, 17:30
Tanja Widmann, Bildende Künstlerin und Professorin für Kunstpädagogik an der Akademie der Bildende Künste München
16. Januar, 17:30
Amanda Carneiro, Historikerin, Kuratorin und Publizistin
23. Januar, 15:30
Sabeth Buchmann, Kunsthistorikerin und -Kritikerin, Professorin für Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden Künste Wien
30. Januar, 17:30
Eleanor Ivory Weber, Bildende Künstlerin, und Dozentin für Kunsttheorie und Kritische Praxis an der École de recherche graphique Brüssel