index
Meisterschüler*innen
Diplomand*innen
Schimmer
Nico Curian
Die zweiteilige dramaturgische Arbeit Schimmer verknüpft einen postdramatischen Text mit einer Videoperformance und kombiniert die Felder Film, Theater, Performance, Literatur und Theorie.

© Nico Curian
© Nico Curian
Bild- und Tonspur sind autonome Variationen auf das Motiv des Diskurses dreier ProtagonistInnen und sind nur assoziativ miteinander verknüpft.
Im Bild sieht man drei Frauen in eine Diskussion vertieft. Aufmerksam folgen sie einander. Ihre Worte sind wichtig. Sorgfältig wählen sie sie und noch sorgfältiger hören sie den anderen zu. Es steht viel auf dem Spiel.
Die Bilder sind in starker Zeitlupe abgespielt, so kann der Betrachter ebenso aufmerksam jede noch so feine Regung verfolgen.
Der Ort des Gesprächs ist eine Bühne im Hausflur eines Wohnhauses. Dieser eigentümlich utopische Raum ist weder öffentlich noch privat.
Eine einzige Stimme, die keiner der drei Frauen im Bild gehört, liest einen dramatischen Text mit drei Rollen, die durch unterschiedliche Modulation der Stimme voneinander abgesetzt sind. Das Stück bleibt somit als Text erhalten und durchbricht die Immersion der Bühne ebenso wie die nur mittelbare Verknüpfung des Textes mit dem Bild und die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Bild- und Audiospur. Die permanente Emersion, das kontinuierliche Wiederauftauchen, markiert den Beobachter und macht die Erzählung abhängig von seiner Perspektive. So kann der visuelle Teil der Arbeit sowohl als Dokumentation einer Performance gelesen werden als auch als autonomer Film. Der Text des Stückes oszilliert zwischen dialogischen und sukzessiven monologischen Passagen mit mal mehr, mal weniger Distanz zu den Sprechenden und dem Geschehen auf der Bühne.
Der dramatische Text der Audiospur nimmt diese zentrifugale Bewegung des Betrachters auf, indem er auch die Rollen des Stücks stufenweise aus ihrer eigenen Immersion auftauchen lässt.
So verweist Rolle eins permanent auf die Historizität der Struktur ihres Diskursraumes, Rolle zwei stellt Klasse und Herkunft als wesentlichen Determinanten der möglichen Diskurse in den Vordergrund (seine Stimme klingt in der offensichtlich homogenen sozialen und kulturellen Herkunft der drei Frauen wieder) und Rolle drei sabotiert jede Einigung unter anderem mit dem Verweis auf die Triadomanie postmoderner Theorie als Antagonist postmoderner Kontingenzbewältigung. Rolle drei erzählt die Geschichte vom Schimmer aus Alex Garlands Film „Auslöschung“.
In „Auslöschung“ führt Natalie Portman eine Gruppe Forscherinnen in eine extraterrestrische Anomalie, die auf einem Meteoriten auf die Erde gelangt. Den Schimmer, wie die Gruppe das Phänomen wegen seiner ölig schillernden Membran nennt, beschreibt eine von ihnen als Prisma, welches Licht- und Radiowellen ebenso bricht und streut wie das Erbgut unterschiedlicher Lebensformen. Darüber hinaus überwindet er alle nur erdenklichen Schranken der materiellen Welt und ihrer Rezeption. Wie in einem Acid-Trip offenbaren sich in diesem Raum der Irritation mit ihrem Verschwinden allerhand Grenzen, welche unsere sinnliche Wahrnehmung und unser Weltbild strukturieren.
Der Schimmer ist die Utopie eines Raumes, dem die Orientierung von Innen und Außen abhandenkommt. Er ist der Raum des Betrachters, des Dritten.
Am Ende des Gesprächs beginnt es von vorn und es wird deutlich, dass die Orientierung der emersiven Fliehkraft nicht von Dauer ist. Sie bietet keine Erlösung an, mündet stattdessen in einen endlosen Regress der Perspektiven und die Enttäuschung über die unbedingte sprachliche Determination des Handlungsraumes entfaltet ihr emanzipatorisches Potenzial.
Fachklasse: Klasse für Fotografie und Bewegtbild von Tina Bara
Studiengang: Fotografie
Abschlussarbeiten 2020
▸ Meisterschüler*innen
▸ Diplomand*innen