Die Ermordung tausender linker Aktivist*innen und Politiker*innen in Kolumbien hat den Alltag der Familie von Gabriel Corredor Aristizábal geprägt. Seit seiner Kindheit waren Geschichten politischer Gewalt und möglicher Gefahren allgegenwärtig. Die Angst, die er empfand, obwohl sie nicht seine eigene war, wurde zu einer Form des Schutzes. Dieser Werkkomplex reflektiert die Besessenheit mit diesen Ereignissen und stellt die Frage, wie vergangene Erfahrungen von Angst und Gewalt intergenerationell weitergegeben werden. Gabriel Corredor Aristizábal fotografierte das Haus, wo er aufwuchs, sowie nahegelegene Orte, die er aufgrund des Konflikts erst vor einigen Jahren besuchen konnte. Mithilfe einer Künstlichen Intelligenz, die Gesichter und Emotionen erkennen soll, wurden die Fotos des Familienarchivs befragt. KIs Fehler und Ungenauigkeiten weisen auf die Zerbrechlichkeit des Gedächtnisses sowie auf die Komplexität von Emotionen und familiären Beziehungen hin.
Kyuhyun Kim konzentriert sich auf die malerische Übertragung und das Einfangen von Alltagserfahrungen. Dafür kreiert er verschiedene Bildräume auf einer Leinwand und häuft Ebenen auf/an/vor/hinter/über die Räume an. Er sucht nach allen Möglichkeiten der malerischen Umsetzung. „Spaziergang im Atelier“ bezieht sich auf eine Reihe von Überlegungen zur Darstellung von Realität in der Malerei. Die in der Natur malerisch umgesetzten Wiesen und Bäume werden verbunden mit der realistischen Wiedergabe einer Atelierszene. Kyuhyun Kim analysiert die Wechselwirkung zwischen der Interpretation des eigenen Blicks und dessen Übertragung auf die Leinwand. „Schön, dass du da bist“ und „Hättest du auch gerne ein Stück Gespräch?“ konzentrieren sich auf die Übersetzung privater Geschichten. Das Motiv der Sprechblase ist wie eine Möglichkeit zum Atmen. Sie steht in Verbindung zu Gesprächen oder Erinnerungen, die wir alle gemeinsam am Esstisch geführt haben. Sie ist leer und gleichzeitig voll.
Die Arbeit von Mahshid Mahboubifar rekonstruiert die fehlende Hälfte eines persischen Nomadenteppichs aus der Ethnographischen Sammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Sie verwebt ihn mit der Biografie, dem Mythos der Arachne und dem Material aus der Textilrestaurierungswerkstatt der SKD, um die übersehene Geschichte der anderen Teppichhälfte wiederzubeleben.
Das Projekt geht über museale Narrative hinaus und untersucht den Teppich in Kontexten wie Arbeit, Machtverhältnisse und Repräsentation. „Too much past is a dangerous thing“ geht der Frage nach: Wer webt welche Erzählung und zu welchem Zweck?
Lion Mayer, Student bei Prof. Maureen Mooren, Klasse für Systemdesign, erforschte für das Buch „Coney Island, 1984" das fotografische Archiv seines Vaters Daniel Mayer. Einen ausgewählten Kontaktabzug, entstanden während eines Spaziergang 1984 auf Coney Island, hat er durch Herein- und Herauszoomen zu einer filmischen Sequenz angeordnet. Die einzelnen Bildausschnitte, die sich durch das Hereinzoomen in einzelne Motive ergeben, eröffnen eine weitere Betrachtungs- und Bedeutungsebene zu dem Archivmaterial. Es entsteht ein visueller Dialog zwischen dem Fotografen und Editor, zwischen Vater und Sohn.
Das Fotobuch, das Lion Mayer 2023 im Eigenverlag Comsec Books publiziert hat, wird als Ausgangspunkt für multimediale Übersetzungen verwendet: Ausschnitte des Editors können in einer Begleitpublikation separat betrachtet werden. Dias ermöglichen eine filmische Präsentation des Buches.