Radikale Passivität: Politiken des Fleisches
(22.10.2020–07.01.2021)
Mit „Radikale Passivität: Politiken des Fleisches“ realisiert die HGB-Galerie ein Ausstellungsprojekt, das sich neuen Formen von Sensibilität und Fleischlichkeit in der Kunst widmet. Rekurrierend auf philosophische und feministische Diskurse wird in der Ausstellung zwischen Körper und Fleisch unterschieden, um die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtigen Modi der Passivierung/ Aktivierung des Fleisches zu lenken. Damit sind nicht nur die zunehmende Digitalisierung des Lebens oder der vermehrte Gebrauch von Psychopharmaka angesprochen, sondern alle Formen der gezielten Affizierung, denen Individuen heute ausgesetzt sind. Dieses radikale Ausgesetzt-Sein ist nicht frei gewählt, im Gegenteil: Es unterliegt nach Paul. B. Preciado dem Regime eines „patriarchal-kolonialen Kapitalismus“, das Subjektivierungsprozesse reguliert, und zwar so, dass sich individuelles Begehren an Prozesse der Kapitalproduktion und die heterosexuelle, koloniale Reproduktion des Lebens anpasst. Hierin artikuliere sich eine hegemoniale Ästhetik, die das Wahrnehmungsfeld begrenzt, die Sensibilität und das individuelle Begehren gefangen hält.Wie aber geht die Kunst mit dieser Form der affektgesteuerten Produktion von Gesellschaft um, und wie gelingt es ihr in diese „neue Politik der Affizierung“ einzugreifen? Sie tut dies unter anderem, indem sie zwischen Körper und Fleisch differenziert, und als Fleisch dasjenige begreift, das den Körper überschreitet: in Form von wuchernden Ausstülpungen, Transgressionen mit unsicherem Ausgang ebenso wie durch die Schaffung neuer prekärer Pluralitäten. Wie konzeptuell unterschiedlich eine solche Praxis der „Affektderegulierung“ durch Affizierung sein kann, zeigen die Künstler*innen der Ausstellung, deren verbindendes Element die Frage nach der gesellschaftlichen Formierung einer nicht mehr subjektzentrierten Empfindsamkeit bildet.
Kontextualisiert wurde die Ausstellung durch einen Workshop von Kathrin Busch und Ilse Lafer mit Gästen (19.-21.11.20).
Eine umfangreichere Variante der Ausstellung war vom 12.09. bis 01.11.20 in der nGbK Berlin zu sehen.