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Sharon Kivland: The Natural Forms, Part III

Eröffnung: Mi. 27. April 2016, 19 Uhr
Einführung:Dr. Ralf F. Hartmann, Kurator
Dauer: 28. April – 25. Mai 2016
Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst

„Natural Forms“ ist ein Kooperationsprojekt der HGB Leipzig mit dem Kunstverein Tiergarten Berlin und dem dkw. Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus

Ausgehend von einer intensiven Beschäftigung mit den Theorien von Karl Marx und Sigmund Freud widmet sich die englisch-französische Künstlerin und Theoretikerin Sharon Kivland in den Arbeiten für die Ausstellung Fragen nach Rollenzuschreibungen, Geschlechterkonstruktionen und Ökonomie. Dabei interessiert sie insbesondere die Funktion von Frauenbildern in der ökonomischen Theorie und gesellschaftlichen Wirklichkeit kapitalistischer Systeme. Für die Präsentation in der Galerie der HGB hat die Künstlerin ein komplexes mediales Ausstellungsdisplay weiterentwickelt, das zuvor bereits in Cottbus und in Berlin zu sehen war.

Sharon Kivland verbindet in ihrer Arbeit grundsätzlich verschiedene Medien, Quellen und Referenzsysteme. So stehen in Korrespondenz zu großformatigen Porträts anonymer Frauen nicht nur eigenhändig gefertigte Filme und Zeichnungen, sondern scheint eine ungewöhnliche Menagerie präparierter Jagdtrophäen wie Wiesel, Füchse und Eichhörnchen – ausgestattet mit verschiedenen Accessoires - im Zentrum der Ausstellung ihr metaphorisches Eigenleben zu führen.
Großformatige Vinylbilder zeigen Frauen in Negligés und Unterwäsche. Sie entstammen exklusiven Modemagazinen der 1950er Jahre, in denen neueste französische Damenunterwäsche präsentiert wurde. Die dargestellten Frauen mögen jenen entsprechen, welche Karl Marx in einer Fußnote im zweiten Kapitel von "Das Kapital" als "Frauen mit feurigem Körper" beschreibt. Unter Bezugnahme auf die französische Literatur verknüpft er Frauen und Handelsgüter folgendermaßen:

"Im 12. [...] Jahrhundert, kommen unter diesen Waren oft sehr zarte Dinge vor. So zählt ein französischer Dichter jener Zeit [Guillot de Paris] unter den Waren, die sich auf dem Markt von Landit einfanden, neben Kleidungsstoffen, Schuhen, Leder, Ackergeräten, Häuten usw. auch ‚femmes folles de leur corps' (‚Frauen mit feurigem Körper') auf."

Insbesondere Werbebilder offenbaren, in welcher Weise standardisierte Inszenierungen des weiblichen Körpers stereotype Posen und Blickrichtungen nutzen, um über klischeehafte Verführungsmuster Begehren bzw. Begehrlichkeiten herzustellen. Bei Kivland hingegen scheint es sich anders zu verhalten, da die roten Bänder um die Hälse der Frauen und die roten Umschläge ihrer Bücher andeuten, dass mehr auf dem Spiel steht als Trägheit und Luxus. In Korrespondenz zu den Frauenbildern des frühen 20. Jahrhunderts tanzen ausgestopfte Hermeline und Wiesel - versehen mit den roten Jakobinermützen der französischen Revolution – über Bücher von Sigmund Freud und Karl Marx. Ebenso treiben Füchse in diesem symbolisch aufgeladenen Bestiarium ihr Unwesen und tragen Bücher in Mäulern und Pfoten. Gefaltete Seiten aus dem roséfarbenen Papier der Financial Times zeigen Frauen in reizender Freizeitkleidung, wie corps morcelés, denen der Kopf fehlt. Die ausführliche Beschreibung schildert die Details von Stoff und Verzierung, die jeweiligen Titel sind wiederum dem Kapital von Marx entnommen: Die Ware als etwas Weibliches, eine Frau zum Tausch und zur Wertschöpfung durch diesen Tausch. Lektüre und Politik werden in der Ausstellung von Sharon Kivland feminin heraufbeschworen, sind in Seide oder Satin gehüllt, bepelzt.

Sharon Kivland (geb. 1955 in Heidelberg) lebt in London und in der Bretagne. Sie hat Bildende Kunst und Kunstwissenschaften u.a. am Goldsmith College in London studiert, wurde 2002 an der University of Reading promoviert und lehrt heute an der Sheffield Hallam University/ UK. Neben ihrer umfassenden internationalen Ausstellungstätigkeit ist sie assoziierte Wissenschaftlerin am Centre for Freudian Analysis and Research, London und Commissioning Editor of E.R.O.S.