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Der Wal oder Artisten in der Zirkuskuppel

Beteiligte Künstlerinnen und Künstler:
Tina Bara, Fritz Best, Joachim Blank, Alba D’Urbano, Günter-Karl Bose, Ingo Garschke, Christin Lahr, Helmut Mark, Ingo Meller, Peter Piller, Neo Rauch, Heidi Specker und Helfried Strauß

Kurator: Frank Wagner (Berlin)

Im Mittelpunkt dieser Ausstellung steht die eigene künstlerische Arbeit der beteiligten Künstler*innen und Lehrenden und zudem die kollektive Arbeit an der Pflege der Traditionen der Hochschule neben den Überlegungen zu ihrer produktiven Veränderung. Wie stellt sich heute in einer veränderten Gesellschaft und einem sich immer weiter differenzierenden Kunst-, Kultur- und Medienraum die Ausbildung als vielfältige Praxis der Wissensvermittlung und der Förderung von Talent dar? Wie kann die Schule auf den sich wandelnden Kunst- und Kulturbetrieb reagieren?

Die personelle wie strukturelle Zusammensetzung der beiden Fachbereiche „Buchkunst /Grafik-Design und Medienkunst“, „Malerei/Grafik und Fotografie“, die Abteilung „Theorie“ und die um eine elektronische Werkstatt - das audiovisuelle Labor - erweiterten Werkstätten sind Resultate von Umstrukturierungen und neuer Überlegungen, die den Anforderungen einer digitalen Arbeitsumgebung in einer vielfach vernetzten, globalisierten Welt Rechnung tragen und Traditionen auf zeitgenössisch höchstem Niveau weitervermitteln wollen.

Der Titel der Ausstellung nimmt in seinem einen Teil Bezug auf den Film „Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ von 1967/68, der Gewinner des Goldenen Löwen von Venedig 1968, in welchem Alexander Kluge auf spielerisch/ parodistische Weise ein neues Kunst- und Kulturverständnis zu formulieren suchte, deren Praxen von den Künstlern wie von den Vermittlern überprüft, verändert und neu angepasst werden müssen.

Im Film träumt der Artist Manfred Peickert in der Zirkuskuppel von neuen Ideen, stürzt jedoch tödlich ab, bevor er sie realisieren kann. Seine Tochter Leni leistet Trauerarbeit und möchte ihren eigenen „Reformzirkus“ gründen. Sie berät sich mit Experten. Ihre Finanzierungspläne scheitern zunächst; erst als sie von ihrer verstorbenen Freundin Gitti ein Vermögen erbt, steht das utopische Unternehmen vor der Verwirklichung. Das Programm nimmt konkrete Gestalt an, doch je näher die Premiere rückt, desto mehr sind die Beteiligten sich uneins, desto mehr verliert das Konzept an Kraft; auch die Kritiker sind auf einer Pressekonferenz nicht zu überzeugen. Mit dem Eingeständnis „Die Utopie wird immer besser, während wir auf sie warten“ bricht Leni Peickert das Experiment ab. Stattdessen geht sie zum Fernsehen, um dort eine „Politik der kleinen Schritte“ auszuprobieren.

Der andere Teil des Titels jedoch „Der Wal“, zielt auf das Paradestück der Anatomischen Sammlung der Hochschule. Eine beeindruckende kooperative Leistung von Studierenden und Lehrenden der HGB war die Bergung und Präparierung des Skeletts eines dreißig Tonnen schweren und 15 Meter langen Pottwals als anatomisches Studienobjekt für die Hochschule. Das schloss die Entfleischung des Walkadavers an der Schleswig-Holsteinischen Nordseeküste, den Transport der teilweise gigantischen Knochen nach Leipzig, ihre Säuberung und Entfettung und die komplizierte Montage des Skeletts im Anatomiesaal mit ein.

Die Politik der kleinen Schritte sowie die Vision von reflektierter, künstlerischer Ausbildung als individuellem wie gemeinschaftlichem, arbeitsteiligem Prozess und ihre möglichen Früchte stehen im Mittelpunkt des Ausstellungsprojektes. Es soll die ständige Arbeit an der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft vergegenwärtigen, ohne den spielerischen Aspekt des Ausstellungsunterfangens außer Acht zu lassen.