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Spacing the Line

Martha Rosler
Christian Philipp Müller, Thierry Buttonnier

Performativität und Übergangszonen
Kuratorin: Beatrice von Bismarck
23. April­–17. Mai 2002

Ausstellung und Veranstaltungsprogramm von "Spacing the Line" sind auf diejenigen Räume ausgerichtet, an denen Unterschiedliches aneinander stößt, ­ unterschiedliche Medien etwa, unterschiedliche Institutionen, Länder, Kulturen oder Rassen. Dort, wo sie zusammentreffen, werden die Differenzen in besonderem Masse deutlich. Aber dort wo sie zusammentreffen, können sie ihre Unterschiedlichkeit auch untereinander austauschen. Ein solcher Austausch ist vorallem dann möglich, wenn man sich den Ort des Aufeinandertreffens nicht als Grenzlinie denkt, sondern ihn zum Raumerweitert. Nur so können in ihm Handlungen und Verhandlungen über Unterschiedliches stattfinden. Der Titel "Spacing the Line", "Verräumlichung der Linie", leitet sich von dieser Vorstellung her. In Martha Roslers "An der Stelle der Öffentlichkeit" (1990) ist diese Verräumlichung von Orten, die zwischen allen Anderen liegen, ins Bild gesetzt. In ihrer Photoserie hält die amerikanische Künstlerin die Bilder fest, denen sie als Vielfliegerin auf internationalen Flughäfen begegnet: Wartehallen, Kontrollpunkte, lange Gänge, Aussichtplattformen, Steckbriefe, Förderbänder, Sitzreihen, unformiertes Personal. Rosler lässt mit ihnen die sehr spezifischen Verhältnisse sichtbar werden, die in Flughäfen herrschen und die auf den Umstand zurückzuführen sind, dass Flughäfen schon außerhalb nationaler Territorien zu liegen scheinen. In ihnen überkreuzen sich die Vorstellungen, Restriktionen und Normen, die aus unterschiedlichen Staaten stammen, auf ihnen hat man den einen Ort bereits verlassen ohne den anderen betreten zu haben. Sie sind Übergangsorte, "Nicht­Orte" im Sinne des französischen Ethnologen Marc Augé, Orte, die sich darüber definieren, dass man sich in Bewegung zwischen anderen Orten befindet..Das Moment der Bewegung ist entscheidend für die Zonen, die in "Spacing the Line" zur Debatte stehen, denn charakteristisch für sie ist das Prozesshafte, Flüchtige, das an Handlungsabläufe gebundene. Ihre Form­ und Wandelbarkeit ist ihr Potential, das ihnen ermöglicht, von Außen Kommendes ebenso in sich aufzunehmen wie gestaltend auf das Umliegende einzuwirken. Die Nutzung solcher Räume, um bestehende Verhältnisse neuauszuhandeln, besitzt damit zentrale Bedeutung.

In Christian Philipp Müllers "La Tour 1%", übernehmen die Studierenden mit ihrer künstlerischen Arbeit diese Aufgabe.Die 12 Hochschulen von Grenoble, Lyon und St. Etienne, an denen Kunst, Architektur und Ingenieurswesen gelehrt wird, sollten mit den Grands Ateliers, die in dem zwischen den drei Städten gelegenen L ́Isle­d ́Abeau erbaut wurden, eine gemeinsame Lehr-­ und Produktionsstätte erhalten. Aus dem Etat für "Kunst am Bau", der im Französischen kurzals "1 %" betitelt wird, beauftragte man den in New York lebenden Schweizer Künstler Müller mit der Realisierung eines Kunstprojekts. Dessen Zielsetzung war es, sowohl die unterschiedlichen Studienorte als auch Studienfächer in die Entstehung und die Nutzung des Kunstprojekts mit einzubinden. Dafür ging er in drei Etappen vor: Auf eine mehrtägige Busreise zu den Hochschulen aber auch zu Für ihre Arbeit relevanten Produktionsstätten, wie HERMÈS oder die Metallwerkstätten der Firma Stevenant folgte mehrere Workshops, in denen schließlich ein dem Prinzip der Fibonacci­ Reihe folgender Holzturms entworfen wurde, bei dem der Abstand zwischen den einzelnen Konstruktionselementen nach oben hin immer weiter wird. Objekte, die aus der jeweiligen künstlerischen Projektarbeit in L ́Isle­d ́Abeau entstehen, sollen an ihm angebracht werden, so dass sich sein Erscheinungsbild den unterschiedlichen, wechselnden Aktivitätender Grands Ateliers entsprechend kontinuierlich verändern wird.

Das eine Mal weiter gefasst und auf die gesellschaftliche Auswirkungen der Globalisierung ausgerichtet, das andere Mal konkreter auf Hochschulverhältnisse fokussiert, flankieren die künstlerischen Ansätze Martha Roslers und Christian Philipp Müllers ein Feld der Auseinandersetzung mit "dritten Räumen", innerhalb dessen auch das weitere, aus verschiedenen Modulen zusammengesetzte Veranstaltungsprogramm von "Spacing the Line" situiert war.

So sind sowohl die Zusammenarbeit des /D/O/C/K Projektbereichs mit Christian Jankowski samt der kritisch kommentierenden Performance von Diana Wesser zur Eröffnung von "Spacing the Line" als auch die Projekte "Kunst und Ökonomie" und "InterflugsBüro" Initiativen, die in unterschiedlicher Weise Bezug zum Kunsthochschulkontext herstellen, ihn aber verlassen, um die außerhalb der Institution herrschenden Bedingungen in die eigene Arbeit miteinzubeziehen. Sie arbeiten an der Schwelle und sind an einer Gestaltung der eigenen Arbeits-­Bedingungen durch Neuentwürfe interessiert. Den "Zwischen"­Raum in einem weitergefassten gesellschaftliche Rahmen zu verorten übernehmen dann die künstlerischen Positionen von Oliver Ressler und Martin Krenn, von Fiona Tan sowie von Zoran Solomun und Vladimir Blazevski. Die 16 mm Filme von Gordon Matta Clark stellen dann gleichsam eine frühe Klammerum ästhetische und gesellschaftsrelevante Praktiken dar. Die physischen Eingriffe in Häuserfassaden, die er vornimmtund die Schicht für Schicht den Blick ins das Gebäudeinnere bzw. die Außenwelt freigeben, verräumlichen nicht nur die Wand als Trennungslinie, sondern fungieren auch als Metapher für die Übergänge zwischen unterschiedlich sozial bestimmten Räumen.