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Giveaways - Kunst zum Nulltarif?

Kuratoren: Johannes Stahl, Joachim Penzel (Bonn, Halle/Berlin)
Dauer: 30. August­–20. September 2002

Das Projekt Giveaways nimmt sich erstmals eines in der Bildenden Kunst weit verbreiteten und höchst wirksamen Phänomens an: Giveaways, also Kunst zur kostenlosen Mitnahme siedeln gedanklich zwischen Vermittlungsutopien, rationalisierter Produktion und vom Publikumsecho her gedachter Produktästhetik. Die Projektstruktur sieht daher mehrere Wege vor, die sich dem vielschichtigen Phänomen nähern.

Giveaways sind hochaufgelegte, meist unlimitierte Kunstobjekte oder Bestandteile von Kunstwerken, die für das Publikum zur kostenlosen Mitnahme bestimmt sind: Bonbons, Postkarten oder ganze Bücher beispielsweise. Seit den 80er Jahren spielen Giveaways eine zunehmend bedeutende Rolle, vor allem in Verbindung mit publikumsbezogenen künstlerischen Arbeitsweisen und Werkformen, institutionskritischen Ansätzen, aber auch im Zusammenhang einer bewusst gesuchten Dienstleistungsfunktion von Bildender Kunst. Das Aufkommen von Giveaways lässt sich unter anderem damit begründen, dass sich hier eine Kunstform etabliert hat, die dem Marktzugriff entzogen bleibt und den KünstlerInnen die Kontrolle über Verwendung und Verteilung ihrer Arbeiten sichern hilft. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass hier künstlerische Produktion, Vermittlung und Rezeption sehr nahe beieinander liegen. Stellt man Giveways aus früheren Zusammenhängen aus, fehlt einerseits der Kontext, den man mitliefern müsste. Andererseits besteht die Gefahr, das Einzelobjekt als Rarität, quasi als Original zu auratisieren, was schnell zu einer Fetisch­-Show führen kann. Die marktstrategisch sinnvollen, inhaltlich aber fatalen Fehler (Entkontextualisierung, Auratisierung) der Hamburger Ausstellung mit Multiples (1993) sollten nicht wiederholt werden. Auch wenn die neu kontextualisierte Präsentation in musealer Form unumgänglich scheint, musste dieser, die ursprüngliche Offenheit der Giveaways stark einschränkende Umstand wenigstens deutlich inszeniert sein. Gedacht ist hier an den bereitsentwickelten Apparat an Präsentationsmöglichkeiten, wie ihn zeithistorische Ausstellungen benutzen.

Vom Erscheinungsbild her stellt sich die Ausstellung als konsequente Mischung einer strengen historischen Konzeptionund einem aktuellen Bazar dar – denn die heutige Produktion wird kaum ohne Beziehung zu historischen Vorläuferndenkbar sein. Im breiten künstlerischen Produktionszusammenhang begegnet man dem Phänomen der Giveaways weitgehend reserviert. Diese geringe Wertschätzung könnte an der ausgeprägten Nähe zur Werbung einerseits liegen und der vordergründig wirtschaftlichen Nutzlosigkeit andererseits. Ähnliche Vorbehalte begegnen im Bereich der kunsthistorischen Aufarbeitung, wo dieses Phänomen geflissentlich übersehen oder als allenfalls soziologisch relevanter Faktor wahrgenommen wird. Es macht daher für diese Ausstellung durchaus Sinn, Überlegungen zu Giveaways in diesen Zusammenhängen zu diskutieren. Möglichkeiten hierzu ergaben sich konkret durch die kunsthistorischen Institute der Universitäten Bonn und Halle sowie die Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Hier sollte – neben den im Katalogfestgehaltenen Standpunkten – auch die je individuelle Beschäftigung der Beteiligten im Mittelpunkt stehen.

Das Projekt wurde von Dr. Johannes Stahl (Artothek im Bonner Kunstverein) in Zusammenarbeit mit Joachim Penzel (Halle/Berlin) vorbereitet. Die Ausstellung wurde im Bonner Kunstverein und der Hochschule für Grafik und Buchkunstin Leipzig gezeigt; weitere Stationen sind angestrebt. Zu sehen ist eine umfangreiche Sammlung historischer Positionen künstlerischer Giveaways in stark museal überhöhter Form und dazu ist ein offenes Verzeichnis im Internet angelegt. Zudem entstanden für die Ausstellung neue Arbeiten, die in einer lockeren Warenlager-­Atmosphäre präsentiert werden. Natürlich können die neu produzierten Giveaways vom Publikum gratis mitgenommen werden.

KünstlerInnen, die speziell zur Ausstellung Giveaways produzieren: Sonja Alhäuser, BLESS, Plamen Dejanow & Swetlana Heger, Iris Häussler, Christin Lahr, Tilo Schulz, Peter Zimmerman