Die (Un)vereinbarkeit von Antisemitismus- und Rassismuskritik (18.01./19.01.2024)
Astrid Messerschmidt, Meron Mendel & Özcan Karadeniz: Die (Un)vereinbarkeit von Antisemitismus- und Rassismuskritik
In der aktuellen Weltsituation ist der Wunsch oder auch die Forderung nach eindeutiger Positionierung nachvollziehbar. Ebenso groß ist die Versuchung, Widersprüche und Ambivalenzen auszublenden, die aber notwendig sind, um historisch gewachsene Spaltungen verstehen und überwinden zu lernen. So scheint es im Verhältnis zwischen antimuslimischem Rassismus und Antisemitismus zunehmend schwieriger, die ambivalente Gleichzeitigkeit der jeweiligen Unterdrückung greifen zu können. Dieser Herausforderung wollen wir gemeinsam mit Astrid Messerschmidt, Meron Mendel und Özcan Karadeniz nachspüren.Die Vorträge werden digital gehalten, Moderation, Austausch und Diskussion sowie der einführende Lesekreis finden in Präsenz statt.
Donnerstag, 18.01., 14–16 Uhr: Lesekreis
Im Rahmen der Abschlussveranstaltung „Die (Un)vereinbarkeit von Antisemitismus- und Rassismuskritik“ laden wir am 18. Januar um 14 Uhr zum gemeinsamen Lesen ein. Gelesen und diskutiert werden zwei ausgewählte Texte als Vorbereitung bzw. gedankliche, diskursive Grundlage für die Vorträge von und Diskussionen mit Astrid Messerschmidt und Meron Mendel.
Freitag, 19.01., 14–16:30 Uhr: Vorträge und Diskussion
Zwischen Unschuld und Überlegenheit – Antisemitismus und Rassismus als Weltbilder
Astrid Messerschmidt
Der Vortrag geht auf Unterscheidungen und Zusammenhänge von Rassismus und Antisemitismus ein. Rassismus bietet seinen Anhänger:innen die Möglichkeit, sich selbst als überlegen zu fühlen, da die fremd gemachten Anderen abgewertet werden können. Antisemitismus bietet seinen Anhänger:innen die Möglichkeit, sich selbst als unschuldig zu sehen, da alles Verwerfliche der modernen globalisierten Welt einem phantasierten Verursacher zugeschrieben werden kann.
So lässt sich aus einem ideologiekritischen Blick Antisemitismus als Weltanschauung verstehen, in der jüdische Menschen projektiv als Symbol einer anzufeindenden modernen Welt gelten. Rassismus hingegen lässt sich als Weltbild der Trennung verstehen, welches insbesondere in rechtspopulistischen sowie identitären Bewegungen die Reinheit der Kulturen propagiert.
Astrid Messerschmidt (Dr. phil. habil.) ist Professorin für Erziehungswissenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen: Migrationsgesellschaftliche Bildung, Diversität und Diskriminierung, Geschlechtertheorien und geschlechterreflektierende Bildung; Antisemitismus-, Antiziganismus- und Rassismuskritik in den Nachwirkungen des Nationalsozialismus sowie der Umgang mit der Aufarbeitung der NS-Verbrechen in pädagogischen Kontexten. Sie war Mitglied der Unabhängigen Kommission Antiziganismus im Bundesinnenministerium (2019–2021).
In der Kampfzone. Rassismus, Antisemitismus und das Ringen um Deutungshoheit
Meron Mendel
Eigentlich sollte der Kampf gegen Antisemitismus mit jenem gegen Rassismus Hand in Hand gehen. Doch Opferkonkurrenzen, unterschiedliche Haltungen zum Nahostkonflikt und eine dominant gewordene Betroffenenperspektive erschweren eine Verständigung. Warum geraten die beiden Perspektiven so oft aneinander und was ist notwendig, um Allianzen zu bilden?
Meron Mendel (geb. 1976, Israel, Dr. phil.) ist seit 2010 Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und seit 2021 Professor für Soziale Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences. Gemeinsam mit Saba-Nur Cheema schreibt er die Kolumne „muslimisch-jüdisches Abendbrot“ für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Mit Astrid Messerschmidt erschien der Band: „Fragiler Konsens. Antisemitismuskritische Bildung in der Migrationsgesellschaft“ (2017). Sein zuletzt erschienenes Buch „Über Israel reden. Eine deutsche Debatte“ wurde für den deutschen Sachbuchpreis 2023 nominiert.
Die Moderation der Verträge und Diskussionen übernimmt Özcan Karadeniz.
Özcan Karadeniz ist Geschäftsführer des Dachverbands sächsischer Migrant*innenorganisationen (DSM e.V.). Er ist Politikwissenschaftler und langjähriger Trainer und Referent im Bereich rassismuskritischer und politischer Bildungsarbeit im Kontext von Migration, Diversität und Empowerment. In seiner Arbeit geht es um eine breitere Vermittlung rassismus- und diskriminierungskritischer Inhalte. Er ist Autor und Mitherausgeber des Essaybands „Die Erfindung des muslimischen Anderen - 20 Fragen und Antworten, die nichts über das Muslimischsein verraten“ (2021). Karadeniz hat an verschiedenen Hochschulen gelehrt. Als Mitglied im Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit des Bundesinnenministeriums fungierte er zudem als Berater der Bundesregierung.
Die Veranstaltung findet im Rahmen von "Gefahrenzonen - Rassismus ver(un)sichert" statt und ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Verband binationaler Familien und Partnerschaften und der HGB Galerie (Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig).