Ein Ausstellungsprojekt der Klasse Installation und Raum der HGB Leipzig
im Internationalen Kunstzentrum Petersberg 

Klara Marlene Fischer
Li Huhn
Laila Kamil
Brigita Kasperaitė
Arno Selle
Ria Schöneberger
David Schröder
Svetlana Shilankova
Ona Barbora Šlapšinskaitė
Liu Tianxu

organisiert von Joachim Blank und Anna Raczynska in Zusammenarbeit mit Fabian Lehmann

 

Living under the Rock ist eine ortsspezifische Ausstellung und künstlerische Intervention im ehemaligen, mittlerweile privatisierten Stasibunker in Petersberg bei Halle. Der Bunker ist ein beispielhaftes Modell von fünfzehn Bezirksbunkern, die von der DDR-Staatssicherheit als Systemarchitektur in den frühen 1970er Jahren gebaut wurden. Die Führungsbunker sollten in der Zeit des Kalten Kriegs im Fall eines Kriegs und atomaren Angriffs einer Bezirksabteilung der Staatssicherheit etwa acht Tage lang ermöglichen unter der Erde autark leben und agieren zu können. Alle Bunker waren gut getarnt abseits von Großstädten in landwirtschaftlich geprägten Zonen versteckt.

Der Bunker in Petersberg liegt am Rande eines Dorfes mit Kleingärten in einer Wald- und Wiesenumgebung. Wie bei einer “Blase” kann die Differenz zwischen Innen und Außen kaum größer sein. In der Bereitschaftszeit war der Bunker unter der Erde durch eine Gärtnerei über der Erde getarnt. Er wurde für den Ernstfall, der nie eintrat, gebaut, gepflegt und bereit gehalten – mehr nicht. Nach dem Fall der Mauer in den 90er Jahren wurde er entdeckt, geplündert und von Graffitisprühern bearbeitet. Jetzt entsteht dort ein Kunstzentrum.

Das Sprichwort „unter einem Felsen leben“ deutet auf ein Leben in Isolation hin. Der ehemalige Stasi-Bunker, fünf Meter unter der Erde gelegen, gebaut, um in Krisenzeiten zu funktionieren, wurde von Anfang an dysfunktional. Ein Ort, der mit der täglichen Routine getarnt war, ein Ort, der nicht gefunden werden sollte, und so war er ein isoliertes Objekt des Wissens über sich selbst.

Heute finden wir einen Ort vor, der vielfach überschrieben wurde. Eine Architektur ohne Funktion, ein Rückzugsort, der aufgrund seiner massiven materiellen Beschaffenheit aus Beton wohl für immer bleiben wird, aber aufgrund der nahezu dysfunktionalen atmosphärischen und räumlichen Qualität nur schwer anzueignen ist – ein Negativraum als immersive Installation, horizontal unter die Erde gelegt und darüber die wuchernde Natur.

Die Arbeiten der Künstler*innen nähern sich diesem komplexen Ort auf eine intuitive, poetische wie körperliche Weise. Vielfältige Überlagerungen der historischen, materiellen und sensorischen Spuren unter und über der Erde versammeln sich hier in ihrer Vielfalt zu etwas Ganzem, vielleicht einer dritten Landschaft, die nur schwer definierbar, aber somatisch erlebbar ist. Die künstlerischen Beiträge verstärken diesen Ort, dem nun für kurze Zeit weitere Schichtungen hinzufügt werden, die den Eindruck der Verfremdung verstärken und gleichzeitig die Zukünfte hinterfragen und neue Kontexte für den Ort vorschlagen.

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Svetlana Shilankova

 

  

Ona Barbora Šlapšinskaitė, Ria Schöneberger

 

 

Brigita Kasperaitė

 

Li Huhn

 

Tianxu Liu

 

 

Klara Marlene Fischer

 

 

Arno Selle

 

Laila Kamil

 

David Schröder

 

Alle Fotos: Joachim Blank

 

—– english text —–

 

Living under the Rock

An exhibition project of the Installation and Space class of the HGB Leipzig
at Internationales Kunstzentrum Petersberg

Klara Marlene Fischer
Li Huhn
Laila Kamil
Brigita Kasperaitė
Arno Selle
Ria Schöneberger
David Schröder
Svetlana Shilankova
Ona Barbora Šlapšinskaitė
Liu Tianxu

organized by Joachim Blank and Anna Raczynska in collaboration with Fabian Lehmann

Living under the Rock is a site-specific exhibition and artistic intervention in the former, now privatized Stasi bunker in Petersberg near Halle. The bunker is an exemplary model of fifteen district bunkers that were built by the GDR State Security as system architecture in the early 1970s. During the Cold War, the command bunkers were intended to enable a district division of the State Security to live and operate self-sufficiently underground for around eight days in the event of a war or nuclear attack. All bunkers were well camouflaged and hidden away from large cities in agricultural areas.

The bunker in Petersberg is located on the edge of a village with allotment gardens in a forest and meadow environment. Like a “bubble”, the difference between inside and outside could hardly be greater. During the standby period, the bunker was camouflaged underground by a market garden above ground. It was built, maintained and kept ready for emergencies that never happened – nothing more. After the fall of the Wall in the 1990s, it was discovered, looted and sprayed with graffiti. Now an art center is being built there.

The saying living under a rock suggests the meaning of ‘a life in isolation’. The former Stasi Bunker, located five meters underground, built to function in the times of crisis, became dysfunctional from the beginning. Location camouflaged with daily routines, a place that shouldn’t been found, and so it was an isolated object from the knowledge about itself.

Today, we find a place that has been overwritten many times over. An architecture with a lost function, a place of retreat that will probably remain forever due to its massive concrete materiality, and at the same time is difficult to reappropriate due to its atmospheric and spatial quality – a negative space as an immersive installation, placed horizontally underground, and nature sprawling above the earth.

The artists’ works approach this complex place in an intuitive, poetic and physical way. Diverse superimpositions of historical, material and sensory traces under and above the earth come together here in their diversity to form something whole, perhaps a third landscape that is difficult to define but can be experienced intensely somatically. The artistic contributions reinforce this place, to which further layers are now added for a short time, reinforcing the impression of alienation, and at the same time questioning the futures and suggesting new contexts for the location.