Pavilion X (2010)

Eine Ausstellung der Klasse für Installation und Raum / Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig in der städtischen Galerie Jakopic in Ljubljana, Slowenien.

Fabian Bechtle, Karl-Heinz Bernhardt, Chris Bierl, Corentin Canesson, Zaida Guerrero Casado, Liviu Dalateanu, Franziska Faust, Jay Gard, Sebastian Helms, Katya Lachowicz, Tobias Löffler, Anna George Lopez, Denis Luce, Tobias von Mach, Andreas Miller, Inga Martel, Wolf Konrad Roscher, Danny Schulz, Adrian Sievering, Ronny Szillo

kuratiert von Joachim Blank / Andreas Grahl

Ausstellungseröffnung: 19. Oktober 2010, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 20. Oktober 2010 – 15. November 2010
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10.00 Uhr – 18 Uhr

Tobias v. Mach
Tobias v. Mach
In der Architektur ist der Pavillon ein offener, durchlässigen Raum aber auch ein Bauwerk mit unterschiedlichen Funktionen. Obwohl schon in der Antike bekannt und gebraucht, erscheint der Pavillon in der Architektur Europas vermehrt in der Epoche des Absolutismus in den Parks und Gärten des Adels, als Nebengebäude eines Schlosses, als Ruheplatz, Aussichtspunkt oder einfach als gestalterisches Element. Später verbreitete er sich in die Gärten des wohlhabenden Bürgertums und wurde dort zu den gleichen Zwecken genutzt. An öffentlichen Bauten wurden Musikpavillons in Kuranlagen integriert. In der zeitgenössischen Architektur zeigen manche Sportarenen Merkmale des Pavillons.
In Asien, insbesondere in der Architektur Chinas hat der Pavillon eine lange Tradition. Auch in Japan, Indien und Thailand findet sich die Form des Pavillons, oft in sakralen Bauten. In buddhistischen Tempeln wird der Pavillonbau in vielfältiger Weise genutzt. Weltweit werden Pavillons auch als billige, zerlegbare Baumarktprodukte für temporäre Bauten aus Zeltplanen zweckentfremdet und entfernen sich zunehmend von einer eher romantisch geprägten Vorstellung von Idylle und Müssiggang in einer beständig angelegten, qualitativ hochwertigen Umgebung.

Im Kunstkontext denken wir beim Gebrauch des Begriffs „Pavillon“ natürlich an die Biennale Venedig und ihre Pavillons, die durch über siebzig Nationalstaaten alle zwei Jahre aufs Neue mit zeitgenössischer Kunst bespielt werden. Bereits 1907 wurde mit dem belgischen Pavillon das Prinzip der Pavillons für jedes Land vertreten durch einen nationalen Künstler eröffnet. Die Verbindung der Idee der „nationalen Repräsentation“ im globalen Kunstbetrieb in Verbindung mit der spezifischen Bauwerkstypologie des Pavillons ist ein umstrittenes und viel diskutiertes Austellungskonzept, da es von vielen Seiten als reaktionäres, am Nationalstaat orientiertes Konzept bezeichnet wird, welches dem Zusammenwachsen der globalisierten Welt nicht mehr gerecht wird. In Deutschland wurde 1938 der „deutsche Pavillon“ von den Nationalsozialisten umgestaltet. Der deutsche Architekt Ernst Haiger ersetzte die ionischen Säulen durch vier mächtige Rechteckpfeiler auf denen ein giebelloser Architrav sitzt. Dadurch wurde dem Pavillon ein weit monumentalerer Eindruck verliehen, um das Ausstellungsgebäude zur Selbstdarstellung des Dritten Reichs zu instrumentalisieren. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist der deutsche Pavillon eine „ideologisch aufgeladene Architektur“, die seitdem als wesentliche kontextuelle Rahmenbedingung für Ausstellungen an diesem Ort gilt: Zum einen durch die bauliche Sprache der Architektur, aber auch durch das Wissen ihrer Bestimmung und Nutzungsgeschichte. Auch die Bespielung des Deutschen Pavillons in 2010 durch den britischen Künstler Liam Gillick hat gezeigt: Es ist keine Ausstellung bzw. künstlerischer Beitrag möglich, der nicht auch als Kommentar zum Bauwerk und seiner Geschichte gelesen werden kann.
Die Ausstellung Pavillon X mit jungen Künstlerinnen und Künstlern der Leipziger Kunsthochschule in der städtischen Galerie Jakopi? in Ljubljana mit ihrer von Le Corbusier beeinflussten, klaren, modernistischen Architektur versucht sich an der Befragung von Begrifflichkeiten wie Kontextbezogenheit, den Formen von Konnotation und Repräsentation durch raumbezogene und skulptural-installativ angelegte Arbeitsweisen anhand des Pavillons zu nähern. Dabei geht es nicht nur um eine soziologische-, oder politische Abarbeitung des Begriffs, sondern um sublim-assoziative, formalistische und poetische Annäherungen, die unterschiedliche Lesbarkeiten möglich machen und damit einen neuen Denkraum eröffnen .

Die Ausstellung ist Teil einer Kooperation der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und der Academy of Fine Arts in Ljubljana, Slowenien, die in 2009 in Leipzig begonnen hat.

Tobias Löffler
Ausstellungsansicht, u.a. Tobias Löffler(Objekte im Vordergrund), Ronny Szillo (Vitrine), Jay Gard (Wandmalerei + Drucke)

Zaida Guerrero Casado
Zaida Guerrero Casado