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Augustusplatz | Max Klinger | Deutungen

Deutungen

Max Klinger schuf mit dem "Beethoven" nicht nur ein Andenken an den großen Komponisten. Er intendierte weit mehr damit. Um die Absichten Klingers zu durchschauen, sollten sich die Betrachter der Skulptur nicht davor scheuen, selbst einmal eigene Interpretationsversuche zu unternehmen. Die Ergebnisse können höchst aufschlussreich und interessant sein. Wer dennoch zögert, dem seien folgende Interpretationen als Hilfen zu empfehlen.

Zum Beethoven
Er thront wie ein antiker Gott (Zeus/Jupiter) nackt (nur der Unterkörper von einem Gewand bedeckt) und erhöht in Einsamkeit auf einem Berggipfel. Die Position des Beethoven ist entrückt und lässt keinen Kontakt mit dem Betrachter zu: Der Blick der Figur zwingt diesen unter sich. In seinen Gesichtszügen und seiner Körperhaltung spiegeln sich Willensanspannung, eine künstlerische Idee sowie Weltschmerz wieder.

Zum Adler
Der Adler ist nicht nur als Beigabe zum Schöpfergott Zeus zu verstehen. Er steht in seiner animalischen Wildheit in enger Beziehung zum "Beethoven". Ein Raubvogel, der höher und noch höher fliegen will, so gesehen ein Symbol für den gewaltigen "Ideenflug" Beethovens. Der Adler steht auch mit dem christlichen Bilderkreis und dem Evangelisten Johannes in Verbindung. Er weist auf die visionäre Kraft und die Einsamkeit des Komponisten-Genies hin. Letzteres sei mit der Verbannung des Johannes in die Gebirgseinöde auf der Insel Patmos zu vergleichen. Der Evangelist hatte hier die Vision der "Geheimen Offenbarung" erfahren. Schließlich spielt der Adler auf die Gestalt des Prometheus-Mythos an: Schöpfer und Leidender zugleich. Demzufolge kann man die Engelsköpfe als Geschöpfe des Prometheus deuten.

Zur Thronrückseite
Das Relief auf der Rückseite des Throns zeigt zwei Weltanschauungen im Kampf. Die Vermischung verschiedener religiöser Anschauungen (Synkretismus) kommt hier zum Tragen. Die antikische und christliche Vorstellung zeigt sich in der Mittelszene. Während die Geste der Liebesgöttin in göttlicher Nacktheit von Offenheit und Unschuld zeugt, zeigt Johannes anschuldigend auf jene. Aphrodites erhobene Arme versuchen den Fluch abzuwehren. Die Nereide ruft dem Evangelisten Worte der Besänftigung zu. In den Protagonisten Aphrodite und Johannes werden beide Religionen gegenübergestellt. Opfer und Tod sowie Verkörperung von Schönheit und Körperlichkeit sind als widersprechende Motive in den Religionssystemen zu sehen. Steht das eine für Enthaltsamkeit und Lebensverzicht (Christentum), wird in dem anderen Motiv das Glück ausgelebter Sinnlichkeit (Antike) deutlich. Klinger spielt hier auf das Schaffen Beethovens an. In seiner Schaffensphase verschmelzen die zwei Religionen mit aphrodisischer Lust und Weltleiden zur künstlerischen Einheit.

Zu den Thronseiten
Die Szenen auf den Seitenflächen nehmen Bezug auf Beethovens Musik. Einerseits der Sündenfall als Eintritt des Tragischen in die Welt, welches die griechische Tragödie und Beethovens Musik gemeinsam feierten. Andererseits der Tantalus-Mythos als Tragik des Sehnens nach Götterhöhen, nach dem Unerreichlichen, das Beethoven in seiner "Missa solemnis" ausdrückte.

Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass Klinger in dem Komponisten Beethoven einen genialen schöpferischen Menschen sieht. Er stellt Beethoven als gottähnlichen Schöpfer dar, rückt ihn in Gottesnähe. Ein Schöpfer von Musik, dem Klinger in der Gestalt einer Gottheit ein Denkmal gesetzt hat.


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