Öffentliche Stimmen
Man kann feststellen, dass Tübkes Ausführung des Auftrags grundsätzlich positiv aufgenommen wurde. Insbesondere aber fanden die Tafeln Asien und Afrika Anerkennung, da hier die ideologische Botschaft am reinsten umgesetzt wurde.
Besonders skeptisch wurde dagegen die Darstellung Europas bedacht: zu verhalten war den Parteiideologen die Freude und Zuversicht hinsichtlich der fortschrittlicheren Gesellschaftsform.
Die formalen Aspekte von Tübkes Malerei wurden wohlwollend gewürdigt. Die Besinnung auf die lange Tradition figürlicher Kunst war Forderung und für die Kritiker überzeugend umgesetzt.
Hier gab es noch keinen Halt für eine Surrealismusdebatte, die in den 60er Jahren über Tübke hereinbrach und im Zuge derer ihm der Vorwurf der Erzeugung von Westkunst gemacht wurde.
Statt dessen war hier die Bemühung insbesondere altdeutscher Renaissancevorbilder statt der alleinigen Bezugnahme auf Leiblschen Realismus für die Kulturzuständigen eine interessante Neuerung.
Insgesamt wurde das Werk als ein gelungenes Frühwerk eines talentierten Malers aufgenommen, mit allen Schwächen mangelnder Erfahrung, mit allem Potential einer künstlerischen Weiterentwicklung.
Ausschnitte aus Artikeln der Zeitkritik:
Horst Jähner in "Sonntag", Nr. 39, 1959
Kritisch zum mangelnden persönlichen ideologischen Bekenntnis im Fall Europas:
"In diesem Falle vermochte der Maler nicht, den Gegensatz zwischen Kapitalismus und Sozialismus auch nur annähernd zu charakterisieren und damit das Kräfteverhältnis in Europa darzulegen [...]."
"Bei den Dargestellten der anderen [rechten] Tafel hat sich die Stimmungslage [vereinsamte, gedankenverlorene Menschen auf der linken kapitalistischen Europadarstellung] nicht verändert.
Schwermütig ist ihr Blick, fragend schauen sie ins Ungewisse. [...] Der sozialistische Teil von Europa hat so jedenfalls nicht die entsprechende Auslegung gefunden."
"Hier stößt man an die augenblicklichen Grenzen seines künstlerischen Schaffens. Die aufsteigende Klasse verharrt in einer verwandten Stimmungslage. Manchmal glaubt man,
nur einen Kostümwechsel der Gestalten vor sich zu haben. [...] Nichts ist hier von den dramatischen Klassenkämpfen des internationalen Proletariats zu spüren, der vorwärtsdrängenden Kraft des sozialistischen Lagers,
das seinen weltverändernden Siegeszug bereits angetreten hat.
Gerade die Frage des Übergangs von Kapitalismus zum Sozialismus ist nicht konsequent genug beantwortet worden."
Zur Besinnung auf formale künstlerische Traditionen:
"Tübke verdeutlicht die Aktualität dieser revolutionären Epoche [die der Renaissance] und ihrer künstlerischen Erkenntnisse für einen Realismus unserer Tage."
"[...] manchmal [bleibt] von den Vorbildern etwas mehr hängen, als sein Entwicklungsstand gegenwärtig verdauen kann."
Lothar Lang in "Junge Kunst", Nr. ?, 1959
Allgemein zur ideologietreuen Umsetzung:
"Tübke erhebt sich, dank seines marxistischen Standpunktes zum Diagnostiker am Krankenbett des Spätbürgertums."
Zu Amerika:
"Das Drohende und Unheimliche verrät die ‘Existenzangst’ des modernen Bürgers, der sich, um mit Heidegger zu reden, sinnlos ins Dasein geworfen fühlt.
Der nihilistische Gedanke Oswald Spenglers, den er im ‘Untergang des Abendlandes’ vom unerkennbaren Sinn der Geschichte äußerte, geistert über die Physiognomien." [...]
"Aber wie steht es mit der Gestaltung der anderen, der besseren Welt? Wie wurde der Kampf der Volksmassen geformt? Und wie verstand es der Maler die Ideale des Volkes ins Bild zu bringen? Um es gleich vorweg zu sagen: Hier ist die derzeitige Grenze im Schaffen Tübkes."
Zu Europa (rechte Tafel):
"Was soll hier das Schwermütig-Fragende im Antlitz der Menschen? Wir müssen bekennen, daß die Verängstigung des Einzelnen auch in den Tafelbildern zu finden ist, die das Positive ausdrücken wollen. Auch in ihnen ist alles ins Unheimliche und Leere gewandelt."
Zur Adaption alter Meister:
"Trotzdem ist Tübke kein Eklektiker, denn er verstand, alle Anregungen zu eigenem umzuprägen."
Weiteres zum Thema " Werner Tübke: Die Fünf Kontinente"