Leipziger Kunstorte
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Rezeption des Bildes

Schon der mit 5x2 Metern monumentale Entwurf sorgte aufgrund der ungewohnt lebensfrohen und betont ästhetischen Malerei auf der 8. Leipziger Bezirkskunstschau Anfang 1972 für Aufsehen und Verwirrung. Die extrem harmonisierte Inszenierung rief Skepsis hervor. In der DDR hatte die breite Bevölkerung Schwierigkeiten, sich im schönen Schein des Bildes wiederzuerkennen; im Westen empfand man es - zu Zeiten von Studentenunruhen und Universitätsreformen - schlichtweg als unzeitgemäße Idylle.
Der Kunstwissenschaftler Eduard Beaucamp deutet das Bild über seine konkret gesellschaftlichen Bezüge hinaus, indem er sagt: "In der betont ästhetischen Fassung des Bildes macht sich schließlich die Rolle der Kunst geltend." (*) Es gehe Tübke mit seiner an historischen Vorbildern orientierten Malerei um die Aussöhnung der Kunst mit der modernen, wissenschaftlich-technischen Realität. Seine "Bühne", auf der er die zeitgenössische Gesellschaft versammelt und inszeniert hat, kann als ein universales Gleichnis verstanden werden. In der Tat sind in diesem Bild auch Anklänge an religiöse Motive zu finden. So erinnern zum Beispiel der Kreis der Sitzenden links und die Diskutierenden vor der Tafel an Gruppenmotive aus Leonardo da Vincis "Abendmahl". Ebenso fühlt man sich an den Typus der "sacra conversazione" auf historischen Heiligenbildern erinnert.
Über das Ensemble der Bauarbeiter auf der rechten Seite des Bildes schrieb der Kunstkritiker Lothar Lang 1976 in der Zeitschrift "Weltbühne", daß die Arbeiterbrigade mit den Mitteln der Renaissance zur "Andachtsgruppe" geradezu eingefroren werde und es sich dabei mehr um "Künstelei als Kunst" handeln würde. (*) Das Bild kann aber auch als eine Vision des Malers gelesen werden: der Traum von einer herrschaftslosen, gleichberechtigt sich kommunikativ austauschenden, einer geistig inspirierten und ästhetisch geprägten Gesellschaft.


Weiteres zu W. Tübke und seinem Werk "Arbeiterklasse und Intelligenz"

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