Städtebaulich - architektonische Aufgabenstellung des Neuen Gewandhauses (NGH)
Das NGH zu Leipzig ist der erste Konzertsaalneubau seit dem Bestehen der DDR.
Bild - Gesamtansicht
Der Rat des Bezirks Leipzig erteilte dem Architekten Rudolf Skoda den Auftrag für ein
neues Konzerthaus in Leipzig, welches die Spielstätte des Gewandhaus - Orchesters werden
sollte (1781/ 1. Gewandhaus; 1884/ 2.Gewandhaus).
Erste Standortuntersuchungen fanden 1970/72 statt. Die Wahl fiel auf einen besonderen
Platz im Herzen Leipzigs - die Südseite des Augustusplatzes (früher Karl - Marx - Platz).
Beginn der Projektierung war 1976, gebaut wurde von 1977 bis 1981 - mit zeitweiliger
Unterbrechung bedingt durch eine allgemeine Krise in der DDR und die damit verbundenen
Einschränkungen durch die Beschlüsse des 8. Plenums des Zentral-Komitees der SED (im
Mai 1978). Die Fertigstellung wurde dann doch noch durch einen Ministerratsbeschluß von
1980 ermöglicht und somit blieb dem Gewandhausneubau das Schicksal anderer DDR -
Kulturbauten der frühen 80 Jahre erspart.
Am 8.10.1981, einen Tag nach dem 32. Jahrestag der Gründung der DDR, fand unter
Beteiligung höchster politischer SED-Kader die festliche Eröffnung statt (Tagespresse).
Am ausgewählten Standort befand sich, bis zur Zerstörung im 2.Weltkrieg, das Museum der
Bildenden Künste. Die Städteplaner der DDR sahen jedoch keinerlei Anlaß zu einem
Wiederaufbau, stattdessen war ein Auditorium Maximum für die neu gebaute "Karl Marx
Universität" geplant. Dieser Plan wurde jedoch aus finanziellen Gründen nicht realisiert.
Das NGH sollte der Abschlußbau für den im sozialistischen Sinne umgestalteten Platz sein.
Es wurde die Längsachse des schon 1960 entstandenen Neuen Opernhauses aufgegriffen, um
den städtebaulichen Bezug beider Gebäude zu verdeutlichen. Eine Minimierung der
Baumassen durch funktionell gestalterische Gliederung wurde angestrebt. Die horizontale
Betonung des Baus - der Große Saal hebt sich wie eine Plastik heraus - unterstreicht diese
Absicht. Wenig politisch geprägte Gesten am Bau waren wichtig; Vorrang hatte die Funktion.
Eine dekorative Gestaltung des Baus hatte sich durchgesetzt, welche vom Synthese -
Gedanken beeinflußt war. (Vergl. dazu auch: das Kulturhaus in Schwedt Roland Paris
"Triumph des Todes - Triumph des Lebens" oder das Haus der Kultur mit der Plastikwand in
Gera).
Ein weiterer wichtiger Wesenszug bei der Baugestaltung war, den Platz als kommunikatives
Element einzubeziehen. Die Glasfassade der Foyerebenen bildet eine Membrane zwischen
zwei öffentlichen Räumen - zwischen Innen und Außen. Ein scheinbares Überkippen und die
interessanten Spiegelungen am Tag und in der Nacht lassen ein unmittelbares Wirken in den
Stadtraum erfahrbar werden. Der Augustusplatz wird sozusagen als Lobby, als
Zuschauerraum oder - wenn man will - als großer Vorsaal in das kulturelle Erleben
einbezogen.
Da ein Museum für Gegenwartskunst fehlte, welches noch vor dem Auditorium Maximum
an diesem Ort entstehen sollte, wurde eine künstlerische Ausstattung des NGH angestrebt.
Nach den Ideen der Künstler Willi Sitte und Bernhard Heisig sollte diese Ausgestaltung
über die einer Bildergalerie (z.B.:"Palast der Republik" in Berlin) hinausgehen. Eine
Synthese zwischen der Funktion des Baus als repräsentativer Konzertsaal sowie der
modernen Auftragskunst mit dem thematischem Rahmen ("... bildenden Künste im Dienste
einer festlichen Begleitung der Musik") sollte zu erkennen sein.
Daß dieser Anspruch nur selten vollkommen umgesetzt wurde, ist unbestreitbar. Der
Versuch wird jedoch deutlich erkennbar an den Beispielen des speziell auf die Beethoven -
Plastik des Leipziger Künstlers Max Klinger abgestimmte Eingangsfoyers zum
Kleinen Saal im NGH und dem Deckengemälde "Gesang vom Leben" von Sighard Gille.
Unter der künstlerischen Gesamtleitung von Bernhard Heisig sollten 20 Künstler ein
Auftragswerk mit einem musischen Thema für das NGH schaffen.
Die Deckenschrägen im Hauptfoyer sollten anfangs durch eine Arbeit von Bernhard Heisig
(unter Mitarbeit von F. Ruddigkeit, W. Peuker und S. Gille) Gestalt annehmen. Doch schon
während der Entwurfsphase erging dann der Auftrag (als Gemeinschaftsarbeit) an W.
Peuker und S. Gille. Da die Tradition der Deckenmalerei in Europa während der letzten
einhundert Jahren fast gänzlich unterbrochen war, unternahmen beide eine Studienreise
nach Spanien, um sich von den frühen Wandbilder Goyas für ihre schwierige Aufgabe
anregen zu lassen.
Nach nur kurzer Zusammenarbeit zwischen S. Gille und W. Peuker wurde der Auftrag
schon im Jahr 1978 geteilt. Sighard Gille erhielt die heute noch zu besichtigenden vier
Deckenschrägen. W. Peuker wollte nun eine Apotheose, unter "Aufnahme" der Arbeit
Gilles, an der Stirnwand der Foyerebene erschaffen. Dies geschah auch fast bis zur
Vollendung, wurde dann aber abgelehnt, übertüncht und bieder braun vertäfelt.
Da der Entwurf von Gille favorisiert wurde, sollte Ruddigkeits Entwurf an der Ostwand des
Eingangsbereiches ausgeführt werden. Jedoch nach einer weiteren Änderung ist es heute als
polyptyches Tafelbild am Eingang zum Kleinen Konzertsaal zu betrachten.
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