NEURECHT
Kurzkonzept
"WHEN TEKKNO TURNS TO SOUND OF POETRY", Shedhalle, Zürich, 1994, KunstWerke, Berlin, 1995
Hintergrund dieses Projekts ist der fortwährende Diskurs darüber, ob es
Künstliche Intelligenz/Künstliches Leben geben wird, geben kann oder geben soll,
der solange ins Leere läuft, bis allgemein akzeptierte Übereinkünfte zumindest
bei wesentlichen Begrifflichkeiten wie z.B: "Leben", "Tod", "Bewußtsein",
"Wahrnehmung", "Intelligenz", "Wille" usw., innerhalb der Argumentationsstrukturen
erzielt worden sind. Solange verschiedene Definitionen gleicher Begriffe
unkommentiert, ohne Verweis auf Kontexte, aufeinandertreffen, ist die
gemeinsame Kommunikationsbasis empfindlich gestört.
"NeuRecht" setzt dort an, wo Begrifflichkeiten/Definitionen sich auflösen
im Wortvakuum einer unfruchtbaren Diskussion. Anstatt die Frage nach der
Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit einer, wie auch immer gearteten, mit unseren
Denkmustern gar nicht zu erfassenden, künstlichen Intelligenz zu stellen,
legt dieses Projekt eine solche zugrunde und beginnt mit den Fragen dort,
wo es um mögliche Konsequenzen, um die Tragweite eines solchen Zugeständnisses,
einer solchen Entscheidung geht.
"NeuRecht" ist der Versuch, über die Einbindung "Künstlicher Intelligenzen/ Wesen/
Korporationen" (welche Bezeichnung auch immer gewählt werden soll) in eine
zukünftige Gesetzgebung, virtuelle Denkbilder mittels Sprache zu erzeugen:
- Vorstellungen über künstliche Lebensformen und -formationen
an den Grenzübergängen heutiger Denkmuster.
Als grundsätzliche Frage stellt sich, welche rechtliche Stellung, welchen
Stellenwert man einer "künstlichen Intelligenz" einräumen müßte, in dem
Moment, wo man ihr Intelligenz, bzw. Bewußtein zugesteht:
Die eines Kindes? Die eines Tieres? Die eines Sklavens? Die eines Angestellten?
Ist es überhaupt denkbar im Hinblick auf postulierte "Intelligenz"
Verantwortlichkeit stufenweise abzugrenzen - im Sinne:
"Eltern haften für ihre Kinder"? Im Sinne einer "Vormundschaft" oder analog
zum Tierschutzgesetz? Eventuell sogar im Rahmen einer Haftpflicht- oder
Hausratsversicherung? Inwieweit sprengen nicht schon jetzt die "Taten" eines
"einfachen" PC´s im Netzwerkverbund die Grenzen rechtlicher Möglichkeiten,
gerade im Hinblick auf synergetische und kumulative Effekte
in komplexen Systemzusammenhängen?
Würde sie - oder es? ... - die Rechtsfähigkeit erlangen, beschränkt
geschäftsfähig oder geschäftsfähig sein? Wie verhält es sich hinsichtlich
der Haftung? Wäre "es" verantwortlich für "sein" Handeln? Haftfähig?
Schuldfähig? Straffähig? Wenn nicht, wer wäre überhaupt noch in der
Lage die juristische Verantwortung zu übernehmen, von der moralischen
ganz zu schweigen? Werde ich Halterin, Nutzerin, Besitzerin,
Eigentümerin, oder Kooperationspartnerin einer "Künstlichen Intelligenz"
sein? Wie lange läßt sich in diesem Kontext noch von Verfügungsgewalt
im Sinne des Sachrechts sprechen? Und wo beginnt die Notwendigkeit
einer rechtlichen Gleichstellung?
Bereits heute ist ein juristisches Vakuum entstanden, in dessen
Mittelpunkt Begriffe wie Verantwortlichkeit, Haftung, Schuld, Strafmaß,
Strafanwendung stehen.
Bislang war Realitätsverlust ein anerkanntes individuelles Schicksal.
Beginnt die "virtuelle Gesellschaft" ... ?