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Jakob Wierzba

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Abbildung

Um das Jahr 2000 ging es nicht mehr darum, Geiseln zu befreien oder deren Befreiung zu verhindern, sondern Omaha Beach in der Normandie einzunehmen, beziehungsweise ebendies zu verhindern. Ich spielte neben dem Computerspiel »Counter Strike« das verwandte »Day of Defeat«. Bei Spielbeginn wählte man zwischen Allies und Axis. Trotz abgemilderter ›Logos‹ übte diese Wahl auf mich eine ambivalente Faszination aus (sicherheitshalber spielte ich nie als Axis), auch weil das Spiel sich durch einen besonderen Grad an Realismus auszeichnete: allerdings weniger wegen der exakteren Simulation – man war langsamer, verletzlicher, unauffälliger, weniger treffsicher als in anderen Spielen dieses Genres – vielmehr weil es an historische, nicht-fiktionale Orte und Ereignisse erinnerte. Die Spielumgebungen, in diesem Genre Maps genannt, bestanden wegen der Technik aus einem vereinfachten Gelände grober, unscharf tapezierter Blöcke, die ihr reales Vorbild historisch nicht exakt, dafür symbolisch umso stärker darstellten. Im Spiel befand ich mich also an einem clever abstrahierten Ort, der die Erinnerung an sein reales Vorbild zur Emotionalisierung des Spiels nutzt. Das löst in mir heute mehr Befremden als Faszination aus. Etwas Ähnliches empfinde ich heute bei vielen Mahnmalen. Natürlich ist klar, dass ein Mahnmal sich von einem Unterhaltungsprodukt unterscheidet (trotz Schiebedisplays und Multimedia) und ein Obelisk nur an etwas erinnert und nicht für etwas steht. Jedoch kann ich ein Befremden nicht ganz abschütteln, wenn die Wirkung einer Skulptur, von Betonklötzen oder Plaketten auf die Erinnerung an Gräueltaten und Opfer prallt. Was passiert, wenn dieses Befremden auf jenes hinsichtlich der Kriegsspiele stößt, wenn ausgerechnet zu ›diesem Thema‹ ein Mahnmal zur Spielumgebung wird? Wenn ein echtes Mahnmal als Map für »Day of Defeat« mit Hilfe der im Spiel vorhandenen Oberflächenmaterialien erbaut wird? Für erste Versuche baute ich zwei stark skulpturale Mahnmale nach, um sie dann zu begehen und wie Orte zu fotografieren. Jedoch wäre jeweils die Umgebung des Mahnmals spielerisch deutlich relevanter gewesen als die Skulptur, damit wirkten die Maps nicht ›echt‹. Als einen geeigneteren Ort wählte ich das im ersten Teil des Seminars behandelte Sportforum, speziell die Tribüne des abgerissenen Schwimmstadions. Zwar wurde sie erst in den 50er Jahren erbaut, jedoch fallen die Planungen des Sportforums auch in die NS-Zeit – was die Abgrenzung von Stilen auf dem Gelände verwischt und überformt. So ist ihre Architektur aus groben Klötzen leicht wiedererkennbar nachzubauen; die (scheinbare) Eindeutigkeit (Proportionen, rechte Winkel, Massivität) macht sie zur idealen, generischen Spielumgebung: unauffällig, unterschwellig emotionalisierend.

Text: Jakob Wierzba

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