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Rasmus Eulenberger, Martin Haufe, Deborah Jeromin

This house never existed

Abbildung
Foto: Rasmus Eulenberger, Martin Haufe, Deborah Jeromin

Auf einer in Google-Maps erstellten Karte Leipzigs und seiner Umgebung ist ein dichtes Netz von mehr als 400 Orten verzeichnet, an denen nachweislich Menschen durch das nationalsozialistische Zwangsarbeitssystem ausgebeutet wurden. Diese Karte veranschaulicht bildhaft die Bedeutung von Zwangsarbeit in der Geschichte Leipzigs.

Wenn also – wie im Kontext historischer Beschäftigungen häufig der Fall – angenommen wird, dass bestimmte, geografisch definierbare Orte in Verbindung zu den an ihnen begangenen Gewalttaten stehen, und diese Orte weiterhin durch ihre physische Präsenz Zeugen eben dieser sind, so stellen wir fest: Es hat diese Orte niemals gegeben.

Um diesen Gedankengang für uns zu visualisieren, wollten wir konkreter auf das Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit eingehen und entwarfen eine Projektion auf die Fassade eines in der Karte verzeichneten Gebäudes, auf der zu sehen ist, was sich hinter dem Gebäude befindet. Durch das ›Verschwindenlassen‹ des Hauses erzeugten wir also eine doppelte Negation: Die Architektur wurde sichtbar – die historische ›Schuld‹ des Ortes wurde von uns durch das Hindurchblicken jedoch temporär verneint und bekam dadurch eine Sichtbarkeit.

Exemplarisch für die große Anzahl von Adressen auf der Karte wählten wir das Volkshaus in der Karl-Liebknecht-Straße Nr. 30 aus. Nach einigen Hinweisen und Belegen zur Zwangsarbeit an diesem Ort wurde bald klar: Das Volkshaus als traditionelles Haus der Arbeiterbewegung wird heute sowohl von den dort ansässigen Gewerkschaften als auch von anderen Mietparteien maßgeblich unter dem historischen Aspekt der Repression durch – und den Widerstand gegen den Nationalsozialismus wahrgenommen. Das Haus wird also durchaus als authentischer Ort zum Sprechen gebracht: Erzählt wird u.a. von der Räumung durch die SA samt der Zerstörung des Inventars sowie von der weitgehenden Zerstörung des Hauses am Ende des Krieges.

Verwundert waren wir daher, als uns nach Bekanntgabe unserer Pläne von verschiedenen Mietparteien des Volkshauses Ablehnung entgegengebracht wurde. Teilweise wurde diese ablehnende Haltung bis heute inhaltlich nicht begründet, es lässt sich über die Intention also nur spekulieren.

Wenn überhaupt, dann wurde argumentiert, dass unser Vorhaben eine Verleugnung der Bedeutung des Hauses als »lebendiges Bauwahrzeichen für Demokratie, Gerechtigkeit und Menschenwürde« sei. Weiter hieß es: »Das Volkshaus darf nicht als Ort nationalsozialistischer Geschichte gesehen werden, es ist Opfer der solchen geworden«. Ist ein Haus, das in geschichtlichen Betrachtungen als »Opfer« gesehen wird, nicht Teil gerade dieser Geschichte? Und gehören die Menschen, die durch Zwangsarbeit ausgebeutet wurden, nicht auch zu den Opfern? Gibt es ein Konkurrenzverhältnis, innerhalb dessen eine bestimmte Opfergruppe nicht zum Widerstand gehören darf?

Durch diese ablehnende Haltung wurde der Kommunikationsprozess mit verschiedenen Mietparteien des Hauses zum zentralen Thema unserer künstlerischen Auseinandersetzung, so dass wir von der ursprünglichen Idee abkamen. Stattdessen projizierten wir einen Ticker auf die Hauswand, in der die E-Mail-Kommunikation mit den Mieter/innen des Volkshauses zu lesen war.

Text: Rasmus Eulenberger, Martin Haufe, Deborah Jeromin

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