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Susanne Kaiser

Mercy Killing – Erinnerung an Josef Faust

Abbildung
Postkartenpuzzle im Endzustand am 01.06.2013 Foto: Esther Hoyer

Die Stadt Leipzig stellt einen der Ausgangspunkte der Krankenmorde im Dritten Reich dar. An der Universitäts-Kinderklinik wurde unter der Leitung des dortigen Ordinarius Werner Catel der erste Fall einer staatlich legitimierten Kindstötung im Dritten Reich vollzogen – der sogenannte Fall »Kind K.« An der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen erprobte der dortige Direktor Paul Nitsche im Auftrag der Privatkanzlei Hitlers ein unauffälliges medikamentöses Tötungsverfahren an Psychiatriepatient/innen. Diese Methode, als Luminal-Schema in die Historie eingegangen, war die bevorzugte Tötungsvariante sowohl in der Kindereuthanasie als auch in der dezentralen Phase des Krankenmordes. Mit diesen Vorüberlegungen habe ich, aufbauend auf einer Postkartenaktion zur Erinnerung an Patientinnen der ehemaligen Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Schleswig, die Aktion für die Vorraussetzungen der Großstadt Leipzig überarbeitet. In den Räumlichkeiten in der Alten Pforte erhielt ich die Möglichkeit, auf historischem Gelände – der ehemaligen Universitäts-Kinderklinik direkt am früheren Wirkungsort Prof. Werner Catels – einen temporären Erinnerungsraum zu schaffen. Dank des von der Verwandtschaft des 1943 in Leipzig-Dösen getöteten Josef Faust zur Verfügung gestellten authentischen Bildmaterials war ich in der Lage, acht Bildbeschreibungen zu diesem Opfer der Kindereuthanasie anzufertigen. Das Geschriebene verarbeitete ich zu einem wandfüllenden Puzzle nummerierter Postkarten. Auf jeder Karte befand sich ein Teil der Beschreibung – Buchstaben, Silben, ganze Wortgruppen. Die Rückseite versah ich mit dem Aufruf, die jeweilige Karte zum Aktionsort zurückzubringen und an der Wand das Textpuzzle zu vervollständigen bzw. die Erinnerung an Josef Faust zu ermöglichen. Eine breite Streuung der Postkarten erfolgte über diverse Verteilerwege. Anfangs bestand die Installation aus einer leeren Wand mit nummerierter Hängung. Ein Hinweisschild gab Hilfestellung zum Anbringen. Informationsmaterial über Josef Faust wurde zum Mitnehmen angeboten, weiterführende Literatur konnte genutzt werden. Der Erinnerungsraum war an vier Nachmittagen in der Woche geöffnet. Während der Aktionszeit fanden ein Künstlergespräch, mehrere Fachvorträge und historische Führungen über das Klinikgelände statt. Die Angehörigen Josef Fausts beteiligten sich an der Aktion und an einer historischen Führung über das Gelände. Absicht der künstlerischen Arbeit war: Je mehr Postkarten zurückfinden, desto lesbarer werden die Beschreibungen zu Josef Faust. Gleichzeitig machte die Anzahl aufgehängter Textfragmente sichtbar, wie hoch der Zuspruch war. Insgesamt hingen am Ende 40% der Textkarten an den beiden Wänden.

Text: Susanne Kaiser

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