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Torsten Hattenkerl

Fritz-Schmenkel-Straße aus der Serie 200 Straßen Leipzigs

Abbildung

Auf den ersten Blick erscheinen Flächen. Orthogonale Linien drängen in den Bild-Vorder-, Mittel- und Hintergrund. Schattierungen von Grau, Braun und Beige dominieren, auch die gelb- und orange-farbenen Container ordnen sich in ihren pastelligen Tönen dieser Gesamtwirkung unter. Abweisend verschließt sich die Szenerie vor dem Betrachter, die Perspektivierung der Architektur lässt nichts erkennbar werden von den Füllungen des umbauten Raumes, sonderbar erstarrt und skulptural entleert wirkt dieses unwirtliche städtische Niemandsland.

Dann der Straßenname, Fritz-Schmenkel-Straße. Wie eine Irritation bricht der Name eines (historischen) Subjekts, einer Person hinein, mitten in dieses Bildzentrum, aus dem sonst alles Persönliche eliminiert scheint. Auf diesem erinnerungskulturellen Tableau inszeniert Torsten Hattenkerl seine Fotografien.

Fritz Schmenkel war einer von rund 200 Menschen, nach denen im Leipziger Stadtgebiet wegen ihrer Widerstandstätigkeit gegen das nationalsozialistische Regime oder wegen ihres Status als anerkannte NS-Opfer Straßen und Plätze benannt wurden.

In der Serie »200 Straßen Leipzigs«, aus dessen Zusammenhang das Bild stammt, hat Hattenkerl diese öffentlichen urbanen Erinnerungsräume über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg anhand des städtischen Straßenverzeichnisses vollständig und bei möglichst vergleichbaren Lichtverhältnissen fotografisch dokumentiert. Die in den Bildern der Serie verwendete simultane Komposition der Motivik konfrontiert den Betrachter immer wieder mit ästhetischen Spannungsverhältnissen, die sich auf der narrativen Ebene der Bildgehalte fortsetzen. Auf diese Weise legen die Fotografien inhaltlich nicht nur verschiedene Zeitschichten frei – Nationalsozialismus – DDR – BRD – sondern verschränken das zu Erinnernde mit dem Erinnern selbst, reflektieren die verschiedenen Erinnerungspraktiken mit einer dezidiert eigensinnigen Praxis des visuellen Erinnerns und heben so die Gegenwart auf eine gleichberechtigte Ebene zur Vergangenheit.

Erweiternder Teil des Konzepts der Arbeit ist es, mit den Bildern auch jenseits des ›klassischen‹ Galerien- und Museumskontexts ein nicht primär kunstaffines Publikum zu adressieren. Dazu dient die Kooperation mit der Leipziger Volkszeitung, in deren Lokalteil – also gerade nicht auf den Kulturseiten – über einen längeren Zeitraum im Sommer 2014 täglich eines der Bilder publiziert wird.

Nach dem Willen des Künstlers soll die Arbeit über die »Rückführung der Alltäglichkeit der Straßen in die Alltäglichkeit des städtischen Geschehens als Nachricht« einen breiten öffentlichen Diskurs entfalten. Letztlich eröffnen sich so neue Denkanstöße im kulturellen Diskurs über Geschichte und speziell über »Orte, die man kennen sollte«.

Text: Tilman Pohlmann

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