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Augustusplatz | Einführung | Universität

Universität

Bis Ende 50er Jahre sahen die städtebaulichen Konzeptionen eine Rekonstruktion der im Krieg zerstörten historischen Universitätsgebäude vor. Zu Beginn der 60er Jahre änderten sich die Pläne jedoch grundlegend. Vorgesehen war jetzt ein moderner Universitätskomplex, der mit einem Hochhaus den Platz dominiert. Mit einem Beschluß auf dem VII. Parteitag der SED 1967 sollte der Wiederaufbau der sozialistischen Stadtzentren im Hinblick auf den 20. Jahrestag der DDR beschleunigt werden. Nachdem der Neubau der Universität von der Leipziger Stadtverordnetenversammlung beschlossen worden war, wurde im Frühjahr 1968 ein Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem jedoch kein erster Preis vergeben werden konnte. Der gebürtige Walter Ulbricht sprach sich aber für die Übernahme grundlegender Elemente, des Auditorium Maximum und des Hochhausgebäudes, aus dem drittplazierten Entwurf von Gerhard Henselmann aus. Henselmanns Entwurf entsprach einerseits der seit den 50er Jahren bestehenden Idee, zentrale Plätze mit Hochhausdominanten zu krönen, andererseits kam er Ulbrichts Forderung nach einer wirksamen Architektur entgegen. Das Hochhaus, das ursprünglich als fensterloses Hörsaalgebäude gedacht war und später als Sektions- bzw. Fakultätsgebäude umfunktioniert wurde, hatte Henselmann der idealen Form von Hörsälen nachempfunden. Das Hochhaus sollte nicht, wie allgemein verbreitet, ein aufgeschlagenes Buch darstellen, sondern die "progressive Aufwärtsentwicklung der Menschheit" (*) symbolisieren. Das Auditorium Maximum war geplant mit einem fast quadratischen Grundriß und einer aufgesetzten runden Faltwerkkuppel. Das an das Hochhaus anschließende Rektoratsgebäude stammt aus Entwürfen des damaligen Leiters des Leipziger Baukombinats, Helmut Ullmann, der im Wettbewerb ebenfalls einen dritten Preis gewonnen hatte.
Mit der Entscheidung für den Neubau der Universität war auch die Entscheidung gegen den Wiederaufbau der historischen Gebäude gefallen. Der vorgesehene Abriß der Universitätskirche wurde wegen erheblicher Proteste der Leipziger Bevölkerung immer wieder verschoben und erst 1968 in die Tat umgesetzt. Unmittelbar nach der Sprengung der Universitätskirche am 30.Mai begann man mit den Bauarbeiten. Der Betonkern des Hochhauses war in nur anderthalb Monaten in Gleitbauweise hochgezogen; die Turmspitze wurde als Stahlfachwerkkonstruktion aufgesetzt. Den Turmkörper verkleidete man später in einer Stahl-Aluminium-Vorhangfassade. Das Rektoratsgebäude konnte bereits drei Jahre nach Baubeginn fertiggestellt werden, das Hochhaus und die Mensa folgten 2 Jahre später. Als letzte Gebäude des Komplexes wurden 1974/75 die Bibliothek und der Hörsaalbau übergeben.
Das Auditorium Maximum wurde nie gebaut. Dieses Schicksal traf den Großteil der Henselmannschen Entwürfe. Hermann Henselmann, damaliger Leiter der Experimentalwerkstatt des Instituts für Städtebau und Architektur an der Deutschen Bauakademie, vertrat eine semiotische Architekturkonzeption und forderte eine architecture parlante. Die meisten seiner Entwürfe fielen daher der Formalismus-Debatte in der DDR zum Opfer, andere scheiterten, wie das Auditorium Maximum, an den fehlenden finanziellen Mitteln. Somit gehört das 142,5 m hohe Leipziger Universitätshochhaus, neben dem Fernsehturm und dem Haus des Lehrers mit Kongreßhalle in Berlin, zu den wenigen umgesetzten Ideen eines der modernsten Architekten der DDR.


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