Thomas Locher - "Angebot und Nachfrage", Textarbeit
ich suche etwas und jetzt will ich es haben
ich suche etwas, aber ich weiß nicht genau was ich will
ich wünsche mir etwas Bestimmtes ...
Insgesamt beinhaltet das Schriftbild "Angebot und Nachfrage" von Thomas
Locher (geb.1956) 150 Sätze, die er auf 30 Blöcke verteilt hat. Kaum jemand
liest den Text ganz durch - doch kann man sich schon nach wenigen Zeilen
den inneren Aufbau erschließen. "Angebot und Nachfrage" - an keinem Ort
wäre das Thema aktueller als auf der Messe (daher erklärt sich auch die
hohe Nachfrage der Messebesucher nach dem Textmanuskript). Hier, wo beide
Komponenten aufeinander treffen: Einmal die Besucher, welche an diesen Ort
kommen, da sie etwas suchen, etwas haben wollen oder sich etwas wünschen und
andererseits die Austeller, die Kundenwünsche erfüllen möchten.
Die Kluft, die sich zwischen Wünschen und deren Erfüllung auftut, ist oft
sehr groß. Thomas Locher gelingt es, diesen sehr subjektiven, emotional
ansprechenden Text, der in einem Dialog angelegt ist, in einer objektiven,
grammatisch konstruierten Sprache wiederzugeben. Der sprachliche Aufbau ist
konträr zum Inhalt gestaltet. So ist das Ganze auf einem streng syntaktischen
Grundgerüst aufgebaut, bestehend aus Subjekt, Prädikat, Akkusativobjekt und
Präpositionalobjekt. Trotz diesem rein syntaktischen Satzbau fehlt die
innere, wenn auch nur sehr zaghafte Verbindung zwischen den Sätzen nicht.
So ist kein Satz austauschbar, nicht willkürlich oder zufällig gesetzt.
Es besteht immer eine Verbindung der Zeilen untereinander. Die Du-Form
sorgt für Vertraulichkeit, die Kleinschreibung für Unverbindlichkeit.
Fehlende Punkte und Fragezeichen lassen das Ganze schweben. Niemals scheint
das letzte Wort gesprochen - dadurch wird eine Unendlichkeit erzeugt. Was
dem Leser im Text als endloses Wiederholen von Deklinationen "ich will, du
willst,..." erscheint, wird hier nur übersteigert dargestellt. Dabei ist es
die Logik unserer Sprache, die jeglicher Kommunikation zugrunde liegt.
Locher arbeitet mit Ordnungssystemen, verwendet gliedernde Formen und
Modelle zur Veranschaulichung, wie z.B. Schemata, Etikettierungen, Register,
Nummerierungen und Sortierungen.
Er zerlegt und reduziert die Sprache. Sein besonderes Interesse gilt
auch der Kluft zwischen Zeichen und Bezeichnetem (Semantik). Versuche zu
diesem Thema finden sich in Werkgruppen wieder, in denen er beispielsweise
Möbelstücke mit Personalpronomen belegt, wie Stuhl= ich.