Rosemarie Trockel - "ohne Titel", Rauminstallation
Rosemarie Trockel ist mittlerweile wohl die bekannteste deutsche Künstlerin
der Gegenwart.
Die Künstlerin wurde 1952 in Schwerte (Westfalen) geboren. Nach einem
angefangenen Studium der Lehramtsfächer Biologie, Technologie und
Mathematik besuchte sie vier Jahre lang die Malereiklasse der Kölner
Werkkunstschule.
Bekannt wurde sie Anfang der 80er Jahre mit ihren Strickbildern, die
noch heute sofort mit dem Namen "Trockel" in Verbindung gebracht werden.
Gegen diese einseitige Etiketierung wehrt sich Rosemarie Trockel schon
seit langem und nicht zu unrecht: Sie ist eine Künstlerin mit einem
erstaunlich vielschichtigem Werk. Sie hat sich niemals auf eine
künstlerische Ausdrucksweise festgelegt, sondern überrascht immer wieder
dadurch, daß sie völlig neue Wege sucht, um so einer Eingleisigkeit oder
Wiederholung in ihrem Werk zu entgehen.
Typisch für sie ist auch, daß sie oftmals ironische Hinweise auf frühere
Arbeiten gibt, und so auf spöttische Distanz zu ihrem früheren Werk
geht. Ein Beispiel hierfür ist ihr Video "a la Motte" (1993), in dem
eines ihrer eigenen Strickwerke, mit denen sie ja bekannt geworden ist,
im Zeitraffer von Motten zerfressen wird.
Sie bedient sich der unterschiedlichsten Medien und Materialien wie
Zeichnungen, Installation, Skulpturen bis hin zum Video, dem sie sich in
letzter Zeit verstärkt widmet.
Ein prägnantes Merkmal in den Arbeiten Rosemarie Trockels ist ihre
unverwechselbar weibliche Sichtweise, mit der sie sich den Themen ihrer
Arbeiten nähert. Immer wieder hinterfragt sie die Rolle der Frau in der
Gesellschaft, wobei oft auch eine Portion Humor und Ironie mitschwingt.
Mit ihren Strickbilder parodiert sie das auf dem männlich dominierten
Kunstmarkt verbreitete Vorurteil, weibliche Schaffenskraft sei
zurückhaltend und brav. Sie greift die traditionell weibliche Tätigkeit
des Strickens auf und verhält sich scheinbar so gemäß ihrer Rolle als Frau.
Genau dadurch demonstriert sie jedoch ihre Kreativität und ihre
Fähigkeit zur Innovation. So wird dieses Vorurteil ad absurdum geführt.
Diese Strickbilder, die nicht in Handarbeit, sondern maschinell
hergestellt sind, entwickeln sich von kleinformatigen Bildern mit Karos
oder Streifen zu größeren Formaten, in denen allgemein bekannte Logos
wie z.B. der "Playboy-Hase" oder Hammer und Sichel auftauchen.
Auch mit ihren "Herd-Objekten", die sie Anfang der 90er Jahre fertigte,
stellt sie mit ihrer Kunst auf irritierende Weise eine Verbindung zu
einer anderen traditionell weiblichen Tätigkeit, nämlich der des Kochens
her. Die minimalistische Ästhetik dieser weißen Stahlquader, die an
verschiedenen Seiten mit einzelnen Herdplatten versehen sind, steht im
Gegensatz zu der thematisierten Problematik des "Heimchens am Herd".
Ihre Herangehensweise ist nicht nur eine künstlerische oder emotionale,
sondern ihre Arbeiten beinhalten auch oft einen wissenschaftlichen,
soziologischen oder psychologischen Aspekt. In ihrer Arbeit auf der
Documenta 1997 in Kassel betätigte sie sich als eine Art "künstlerische
Verhaltensforscherin". Sie installierte dort ein Haus, das halbiert
wurde, und das auf der einen Seite Schweine beherbergte, die durch eine
nur einseitig durchsichtige Spiegelglasscheibe von der anderen, für die
Menschen bestimmte Seite getrennt war. So konnten die Besucher das
Verhalten der sich unbeobachtet fühlenden Schweine studieren.
Auf der Neuen Messe in Leipzig hat Rosemarie Trockel die Gestaltung des
Forums übernommen. Das Forum ist der einzige Raum der Messe, der
ausschließlich den Mitarbeitern für interne Besprechungen, Seminare usw.
zugänglich ist. Es befindet sich an einer Schnittstelle zwischen dem
öffentlich zugänglichen Teil der Messe und dem Verwaltungstrakt.
Die Aufgabe von Rosemarie Trockel bestand darin, ein Architekturkonzept
für diesen Raum zu schaffen, das diesen deutlich abheben sollte von
allen anderen Räumen der Messe, um die Sonderstellung dieses Ortes
hervorzuheben. Als weiteres Leitmotiv war Kommunikation vorgegeben, d.h.
dieser Raum sollte die Basis schaffen für eine gut funktionierende
Verständigung der Messemitarbeiter untereinander.
Trockel erarbeitete einen Entwurf für den gesamten Raum, der eine
Bespannung der Wände mit Stoffen und die Möblierung vorsah.
Dominiert wird der ganze Raum von einem Farbklang: Die Kombination von
einem mittleren Grün, einem gelblich-orangen Ton, Grau und Weiß findet
man sowohl an den Wänden, als auch in der Möblierung des Raumes wieder.
Teppich und Decken sind ebenfalls in Grau gehalten. Der farblichen
Unterteilung der Wände liegt ein längliches Rechteckmodul zugrunde.
Unterbrochen wird diese Gliederung durch gelochte, schalldämmende Platten,
die Rosemarie Trockel aus bautechnischen Gründen in ihren Entwurf integrieren
mußte. Außerdem hat Rosemarie Trockel Stellwände installiert, an die sich
Papier-Elemente wie Wolken, Kreise, Pfeile usw., die ebenfalls farblich
mit den Wänden korrespondieren, heften lassen. Diese Wände sollen dazu
anregen, mit den Elementen zu spielen, um so während einer Besprechung
für neue Impulse und Anregungen zu sorgen. In dieser Gestaltung präsentiert
sich das Forum heute.
Der ursprüngliche Entwurf Rosemarie Trockels sah jedoch anders aus:
Die Künstlerin plante eine Möblierung mit Sesseln des dänischen
Designers Arne Jacobsen. Diese Sessel fallen durch weite ausladende
Formen auf. Die Sitzflächen sind aus einem Stück gefertigt und haben mit
ihren vielen Rundungen eine organische Erscheinung. Sie sollten zusammen
mit korrespondierenden Tischen und Stehlampen zu Sitzinseln angeordnet
werden, um so eine wohnliche, intime Atmosphäre zu schaffen.
An dieser Stelle protestierten jedoch die eigentlichen Benutzer des
Raumes, die Messemitarbeiter. Sie bestanden auf Bürostühle, wie sie auch
in den übrigen Räumen der Leipziger Messe verwendet werden, wobei das
Hauptargument der Mitarbeiter die größere Sitzbequemlichkeit der
Bürostühle war. Nach kontroversen Diskussionen - die zwischen Künstlerin
und Mitarbeitern jedoch nur indirekt geführt wurden, da Rosemarie Trockel
nicht vor Ort war - setzte sich das Messepersonal durch: Der ursprüngliche
Entwurf wurde nur teilrealisiert. Arne-Jacobsen-Stühle, Tische und Stehlampen
entfielen, wie geplant wurde nur die Wandbespannung ausgeführt. Der Raum
wurde mit Bürostühlen ausgestattet, deren Bezüge farblich der Wandbespannung ähneln.
Trockel bedauert im Nachhinein, nicht öfter direkt mit den Mitarbeitern
gesprochen zu haben, um die Arne-Jacobsen-Bestuhlung zu verteidigen. Sie
bemängelt das "Fehlen der guten Form", betont aber gleichzeitig, daß sie
Kommunikation habe ermöglichen wollen. Dies schließe auch Kompromisse
mit ein. (*)
Trotz allem oder vielleicht gerade deswegen wird Rosemarie Trockel den
Anforderungen, die an sie gestellt wurden, vollkommen gerecht:
Zwar kann man die Atmosphäre des fertigen Raumes nicht mehr als wohnlich
oder behaglich bezeichnen, wie es die ursprüngliche Absicht der
Künstlerin war. Das Forum strahlt Sachlichkeit, aber auch eine gewisse
Wärme aus. Die Benutzbarkeit und die Funktion des Raumes als Instrument
für die geschäftliche Kommunikation stehen im Vordergrund.
Auch der zweiten Anforderung, die an den Raum gestellt wurde, der
Abgrenzung von der übrigen Messe, ist die Künstlerin gerecht geworden:
Die besondere Stellung dieses Raumes wird durch die konsequente
Verwendung des Farbklanges sofort ersichtlich. Er stellt eine separate,
klar abgegrenzte Zone innerhalb der Messe dar, und wirkt fast wie eine
Insel.